Mittwoch, 27. Juli 2016

Gefühlscumuli

Noch scheint der Tag zu schlafen. Es ist Sommer, der Morgenhimmel grau, es wären Temperaturen, bei denen ich endlich schlafen könnte. Da muss ich auf. Kaum in den Korridor getappt, springt mich Phibi an, unsere 5-Kg-Hündin, weil sie sich über die morgentliche Begrüssung freut, wie ich auch. Doch mein Stress ist eher physischer Natur, ich muss dringend austreten und habe für zu lange Hundebegrüssungen keine Ruhe. Morgens bin ich irgendwie der Zeremonienmeister. Ich bade. Nach 20 min bin ich raus ausm Bad, da begrüsse ich meine Liebste. Sie braucht dringend ihre 30 min um wach zu werden, sonst ist das Gehirn noch matschig, wie sie sagt. Obwohl ich sie gerne umarmen würde, meint der Hund, er müsse sich dazwischendrängen. Ich fühle, wie das Biest mir Begrüssungsenergien abzieht und deswegen die Liebste dabei zu kurz kommt, jedenfalls hat sie nicht die ganze Zuwendung erhalten, einen Teil raubte der Hund. Dann rauben erste Medieninhalte unsere Aufmerksamkeit.

Bild von Sabine Antonius, Deutschland / (c) bei Jona Jakob

Der Hund schreit, als würde er abgestochen. Wir wissen nicht, was los ist, da kommt sie schon angeschmust. Irgendwas war, meine Liebste macht sich schon mal Sorgen. Dabei kämpft sie selber seit gestern mit einem entzündeten Auge, welches über Nacht echt nach Gewalt im Haushalt aussieht, so angeschwollen ist es. Da meine Beste hart im Nehmen ist, flachst sie darüber nur rum, aber nun mache ich mir Sorgen. Unterdessen steht der Hund im Korridor mit Hängeohren und Depri-Gesicht. Sie kriegt von mir liebevoll Frühstück. Sie frisst es nicht, weil sie schon Stress schiebt, ich könnte bereits gehen, was ich morgens meist mache: ich gehe früher und Phibi mit Schätzchen fahren etwas später nach. Nein, Phibi, alles gut, du kannst fressen, ich möchte dazu aber nicht mit dir in der Küche rumstehen. Ich fülle das Hundefutter in die Dose zurück, ein Rest bleibt im Schälchen. Phibi druckst rum und frisst anstelle des Futters meine Nerven. Da sie den Rest nun doch anfängt zu fressen, räume ich solidarisch die Spülmaschine aus. Ein Griff an das Backblech, das ich für trocken halte, aber da läuft mir schon ein gefühltes Glas Wasser über die nackten Beine. Aus irgend einer Rinne im Blech tropft Spülwasser, der Küchenboden ist nass und ich mitten drin mit meinen Frottee-Pantoffeln ausm Wellnesshotel. Neeeeiiiiiiin ... uäääääkkkk.... Der Hund flieht, weil Spritzwasser sie trifft und ich eben uäääkkkkk rufe. Meine Liebste tut mir leid, weil das Auge so geschwollen ist. Und ihr tut der Hund leid, weil die im Bett unerklärlich quikte. Innerlich möchte ich längst im Wagen sitzen, und Arbeiten ableisten, doch dann kommt das allmorgendliche Ritual der Dispositionsfragen: Haste? Biste? Wollmer? Wie denn? Ach so! Tust du? Gehe ich? ... meine Liebste sagt: "Mann, sieht das Auge übel aus." Der Hund hat sich ins Bett verkrochen und tut so, als müsste niemand los. Eigentlich haben wir uns hier schon alle leicht verrückt gemacht, obwohl der Tag noch keinen Anfang nahm. Vermutlich sind wir alle erleichtert, wenn wir arbeiten können. Da tippelt Phibi übers Laminat, das für mich typisch erkennbare "kantappakantappa" ihrer Krallen, die sagen: "Ich muss raus!" - Ja, aber ich sitze hier noch halb nackig und schreibe davon, wie wir uns hier vor lauter Aufmerksamkeit und Mitgefühl unsere Empfindsamkeit aufschaukeln - und das musste einfach mal beschrieben werden. Wir sind nicht wirklich eine 'Bande' - wir sind ein 'so hachsensibler Zopf' aus einzelnen Strängen. Und gefühlt ne kleine Gewitterwolke.

"Phiiiiieps!" - Der Hund phiept. Sie heisst ja auch Phibi.

:-)