Sonntag, 27. November 2016

Lager-Chöre: ... nicht 'welchem', sondern 'dass man überhaupt' beitritt

Ich weiss nicht, wann es angefangen hat oder mit wem. In der Offenheit der Demokratie nahm sich wer das Recht, sich für richtiger, idealer, besser oder stärker zu erklären. Womit allen anderen gesagt war: ... ihr Loser.

Darauf hatten Heere von Müden oder Schwachen nur gewartet. Es ist so einfach und komfortabel, sich einer Gemeinschaft von Lautstarken anzuschliessen um kraftvoll zu wirken, jenes Kraftvoll, zu welchem man alleine nicht in der Lage scheint.

Ich will hier nicht sagen, allein verbleiben sei ein Zuckerschlecken. Oft ist es anstrengend und auf jeden Fall ist es mit viel Arbeit zeitlebens verbunden. Ich kann also nicht sagen, ob es zu ungemütlich wurde, zu viele andere Bürden einem erdrückten, Anforderungen von hier und dort und kaum ein Gewinn als Ausgleich - jedenfalls wurden Blasen Dammbrüchen gleich angestochen, als sich einer stark machte und Grenzen proklamierte.

Es spielt gar keine so grosse Rolle, ob ich die AfD als solche Kraft nenne, PEGIDA, Orban in Ungarn, die Polen, Trump ... egal, wirklich egal. Es sind für sich alles 'Lager' einer Meinung, Haltung, Überzeugung. Es sind Chöre.

Endlich eine klare Dualität von Gut und Schlecht, Richtig und Falsch, ... und damit von 'Ich-zähle-dazu' zu dieser vermeintlichen Richtigkeit und dem Gut-sein. Ich bin für Hoeness und Rumenigge, da ich für Bayern bin. Ich bin für Rosberg, da ich Deutscher bin. Ich bin für Petry oder die AfD, da alles andere falsch ist.

Fahnen, Farben, Wimpel, Grossanlässe - sie alle tragen neu dazu bei, einem das Gefühl zu vermitteln, wo dabei zu sein.

"Dass-man-überhaupt-wo-beitritt" ist das Abgeben der eigenen Seele an den Teufel - es spielt wirklich keine Rolle, an welchen Lager-Chor Sie Ihre Stimme und Ihr Dasein abgeben. 

Einmal abgegeben ist man ja auch gleich zu Gehorsam verpflichtet. Und da man mit etwas zu wenig Entwicklung sein SOLL weiter in Formen der Pflichterfüllung anerzogen bekommen hat, leistet man gerne übers Mass hinaus. So schreibt man dann im Werteraster von 'Kackdreist' an KIK, dass man das schwarze Modell zu Kotzen findet. Man möchte sich hervortun. Man versteht sich ja in einem Lager der Lautstarken. Endlich scheint eine neue Freiheit da, die einem los lässt.

Das Vorschnelle, das Ungute, das Verlustige aber an der Sache ist, dass man sich überhaupt wo hinzu erklärt .. WEM FOLGT. Wem zu folgen ist dann gleich eine Unterstellung, eine 'Soumission', wie es Houellebeqc nennt, eine Subordination. Aber was habe ich gewonnen, wenn ich mich unterstelle?

Und was habe ich damit auch gleich abgegeben, wenn ich mich wo eintragen lasse, als Zu'Gehörig'e/r?

Als Georg W. Bush die 'Achse des Bösen' erklärte, klärte er gleichzu, wer denn zu den 'Guten' gehören würde. Wenn Bayern zu den Guten gehört, ist es klar, dass man Leipzig "hassen muss".

Und so geht folgendes verloren:

Wäre früher Bayern, der BvB, Lepzig und alle Manschaften als Mitspieler, als Mitbewerber verstanden geblieben, so könnten alle noch gegeneinander spielen. Aber da nun nur noch die 'Richtigen' zählen und nur die 'Guten' - selbst proklamiert - sind die anderen zu hassen, zu killen, zu vernichten und zu beschädigen. Zu verunglimpfen, was geht.

So muss Merkel weg, die Globalisierung weg, Fremde weg, alles muss weg. Und wie schon geschrieben, unter dem Schutz der selbsterklärten 'Rechtheit' ist der Wert 'Kackdreist' eine Vorzeigewert, eine Hommage an die Gemeinschaft. Doch dieses Erscheinen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass 'Kackdreistigkeit' nicht mehr wird bzw. bleib als 'Kackdreistigkeit' - egal mit welchen Vorzügen im Moment.

So verstehe das bitte niemand als Fortschritt oder Aufstieg? Nein, beileibe nicht. Das ist und bleibt ein Abstieg, ein verlorenes Spiel ohne Punkte.

Dass ist der Verlust und Verrat am Menschsein, ein letztes Aufflackern vor dem Erlöschen, sich für ein Lager zu entscheiden, weil man selber nicht in der Lage ist, das Offene auszuhalten. Es ist ein Zeugnis miesester Selbstverfassung, Zustand unfähigen Ichs. Und ich würde dem nicht einmal sagen 'zu dumm' - nö, nur zu faul und Schisserig allemal,

Alle zu Tode Geschlagenen, alle Verbrannte und Verbannte - sie werden euch kein Zeugnis als Sieger ausstellen. Nie und in keiner Weise. Siegen wird weiter eine Freiheit und deren Geist, die einem Ablassen von einem Beitritt zu Irgendwem. Siegen wird jene Kräftigkeit der Stark-Genugen

Es ist eine harte Aufgabe, unabhängig und frei zu bleiben. Es auszuhalten, mitzutragen, zu bedenken. Wenn Sie sich heute noch entscheiden, darin aufzugeben, ... Aufgeben ist schon immer ein Verlieren gewesen. Und 'kackdreist' ist es dann, sich dafür 'siegend' zu erklären.

Manchmal ist es härter, wovon die Finger zu lassen.

Jona Jakob

Samstag, 19. November 2016

Mir geht viel Blattwerk schlicht zu weit ...

Ich wohnte an bald mehr als 45 Adressen. Untermiete, Souterrain, mit Gartensitzplatz, mit Terrasse, in den Stockwerken, in einem Haus mit grossem Garten, in Wohnwagen und Zelten, bei Freunden, in Baumhütten und unterm freien Himmel.

Aktuell suchen meine Liebste und ich ein neues Zuhause, etwas grösser, etwas etablierter. Wir hatten tolle erste fünf Jahre und freuen uns auf die nächste Zeit. Wir sind beide 50+, unsere Hündin Phibi kommt noch dazu.

Wir haben also schon einige Projekte gesucht, besucht und angeschaut. In selber Zeit leben wir ja noch in dem Wohnblock in Neu-Isenburg. Und da stösst mir hoch, da mich das Thema schon immer umtrieb ...

... mir rücken überbordende Gärten, Büsche, Bäume und Zweige zu Leibe. Ich kann damit nicht.

Weite ist so eine Qualität ... / Bild (c) Jona Jakob, privat
Ich kann es nicht haben, wenn Büsche in den gepflasterten Weg reinwachsen, über den ich ums Haus herum muss. Ich trage Mantel, Taschen, noch ne Tasche, Gepäck, habe den Hund an der Leine, die Hände voll ... und dann ragt Astwerk und Blattzeug mir in den Weg, ob auf Fusshöhe, an der Taille oder übelst auf Gesichthöhe. Ich mag von dem Zeug weder nass werden, noch mich dem langstreifen.

Wenn Büsche, besonders dieser fette Lorbeer, jedes Jahr 30 - 40 cm in die Potenz schiessen, dreidimensional an Volumen zunehmen, schnürt mir das Leben ab. Ich möchte etwas sehen, ich möchte mich nicht hinter einem Busch erschrecken, ich möchte weit schauen können, freie Sicht als Wohltat für meine Augen und mein Gesamtgefühl.

Was gehen mir bei Kauf- oder Mietobjekten Bäume auf den Nerv, die jede Dimension überschritten haben, die den Rasen darunter ersticken, Moos wachsen lassen, Dinge eingrünen und im Herbst alles völlern, bis das Wasser hoch steht. Schatten, keine Sonne, Licht fehlt, welches mich stärken sollte. Am liebsten stehen solche Ungetüme in des Nachbarn Garten, wo ich eh nichts mehr ausrichten kann. Zudem sind die meisten Bäume nicht einfach so umzulegen, aus juristischen Gründen schon nicht. Aber es bleibt schattig, feucht, düster.

Wenn ich, wie jetzt, Wohnobjekte beschaue, lass ich mich keinesfalls von der Blattlosigkeit des späten Herbstes täuschen. Ich sehe genau, was da im Frühsommer an Sicht versperrt sein wird, was zu räumen und wegzukarren ist. Wie viele Säcke und Körbe Laub und Nadeln solche Ungetüme darstellen.

Jaspers äusserte sich einst, er könne nicht mit Nietsches Alpen, ihm sage die offene Weite des Watt zu - sie versperre ihm nicht die Sicht auf die Dinge.

Genau deswegen wohne ich in Rhein-Main. Da ist es flach. Und daher soll es mir auch offen bleiben und nicht erstickend unter Grün, das man mE mit einer falsch verstandenen Liebe machen lässt, was es will. Denn die schönsten Gärten 'zeigen' sich mir, auf dass ich was von ihnen sehe. Nicht dass sie dir die Sicht und das Licht nehmen.

Daher also: Das feuchte Zeug mit seinen Altweiberspinnenfäden, seinen Schnecken und seinem Anspruch an Raum - es nimmt mir etwas, was ich aber brauche. Bisweilen habe ich dann eine Gartenschere im Auto und einen schnellen wie stillen terroristischen Moment.

Weil der Weg, den ich mitgemietet habe, für mich einen virtuellen Korridor darstellt, der nicht für Wildwuchs gedacht ist, sondern für meine Freiheit.

Bestimmt: nach Riemann-Thomann liegt mein Hauptfeld zwischen Wechsel und Distanz. Grün also gerne, aber geziemt. Ich mag weder von Hunden dominiert werden, noch von ausschiessender Natur.

Herzlich
Jona Jakob

Sonntag, 13. November 2016

Ankunft bei Erfolg II

Manchmal, wenn ich ein Ziel erreiche, so wie man einen Gipfel erreicht, raubt mir die Erschöpfung jedes Gefühl für den Erfolg. Noch am frühen Morgen, wenige Stunden zuvor, freue ich mich schon auf klein-wenig siegenden Taumel und etwas Genuss - doch nach Ankunft, nach Niederlegung, nach Verabschiedung und etwas privatem Rückzug breitet sich eher Leere aus bis hin zur Taubheit. Ich weiss dann nicht, selbst wenn von Aussen gefragt, ob ich was essen möchte. Ein Glas Festliches oder eine Zigarre schmecken nicht wirklich. Was mich gestern tragend rettete, war das häusliche Sofa, ein Lieferheld und eine Decke.

Bild (c) Selfie von Jona Jakob

Das Gemurmel um mich, vom Service bis zu anderen Gästen erreicht mich  gedämpft, meine Hand, die in der Gruppe ein Sektglas hält, vermag nicht. Vielmehr, wer auf mich blicken würde, sähe, dass ich daherkomme wie etwas, das ein Hund zu lange in der Schnauze hatte. Meist leitet mich dann meine Liebste, fährt und nährt, bis ich schlafe. Und wenn ich schlafe, dann sind es gerne Nächte, wo ich in abstrusen Haltungen aufwache, in denen ich einschlief, als ich nochmals auf den Computer schauen wollte.


Morgens, morgens will ich erst einmal von niemandem was wissen. - Irgendwann geht es dann wieder. Dass ich abends zuvor so noch gestrahlt haben soll, feixte oder Fotos machte und ein Lächeln im Gesicht hatte - keine Ahnung ...

Gestern. Etwas erreicht.

Jona Jakob - Frankfurt.