Freitag, 13. August 2010

Nachtcafé

Er fühlte sich ganz wohl dabei, dass die Kaffeebar leer war und er sie ganz für sich alleine hatte. Die Bedienung war mit letzten Arbeiten beschäftigt, räumte Gerätschaften aus und rieb Gläser trocken. Tassen schepperten, Löffel klirrten. Er selbst nahm den Raum in sich auf, alles, was an Wärmen, Gerüchen, Lichtern und Eindrücken möglich war. Dann atmete er aus, während er den Streuzucker unter den Milchschaum rührte.

Er sass da und liess die Zeit sterben. Ihm war danach. Allein im Irgendwo. Ihm passte das und so schrieb er ein paar wenige Zeilen für sich. Die Eingangstür am Ende des Raumes ging kurz auf und ein athletisch tüchtiger young urban failure legte einen Stoss frische Tableauformate auf den Tresen, die 20-Min, die in jeder Stadt verteilt wurden. Kein wirklicher Lesestoff, das Kreuzworträtsel war ok.


Er hatte noch gute vierzig Minuten, bis er in die Nacht entlassen wurde. Das fand er wunderbar, genoss sein Vergessensein in der abgelegenen Ecke, schlurpte am Milchschaum rum. Da er kein ordentliches Papier bei sich hatte und ihm das karrierte Blatt vom Notizblock zu ernüchternd wirkte, hatte er sich in einer Glanzpostille eine Werbeanzeige mit grossen und leeren Hintergrundflächen gesucht. Jetzt schrieb er Zeilen um die Taille einer Ikone.

"Fleur, wie mag es dir gehn? Leise die Tage, schwankend, von Wellen getrieben. Wenn ich schreibe und meine Brust dabei erhitzt, gibt es sich, dass ein Hauch von Dir hochzieht und sich verflüchtigt. Es ist mein Glück, dass du dir den Pulli geschnappt hattest, damals an jenem Dienstag, als wir auf den Zug warteten. Hauch, in wenig Zeit geh ich in die Nacht - adieu, ich begleite Dich zu jeder Zeit des Tages."

Es quitschte eine Tram am Haus vorbei. Es war draussen etwas kühler und vorallem war da jenes späte Gefühl, das in ihn heimkehrte, wenn in der Nacht der Moment entsteht, wo er für sich meinte, alles stünde langsam still. Den Wagen starten, folgend dem, was die Lichtkegel hergaben. Nicht links, nicht rechts. Vielleicht einen Mundwinkel hochziehen, wenn Chris Isaak gespielt wurde.

Text von Jona Jakob, August 2010 - Copyright Jona Jakob ©