Donnerstag, 17. Oktober 2019

Meine Vorstellung

- verfasst, wenige Tage vor unserer Vermählung -

Ich habe mir schon als Jugendlicher eine emanzipierte Partnerin gewünscht. Nie suchte ich ein Mädchen, welches sich mir in nachgeordneter Weise nähern mochte. Das war zu keiner Zeit einfach. Jedenfalls so lange nicht, bis ich dem Modell von "Ich Tarzan - Du Jane" komplett absagte. Ich wies konsequent ab.

Meine Jugend dauerte nun mal von 12 (hatte meine Mansarde) bis ca. 32 (ich heiratete das erste Mal). Es gab also zahlreiche Episoden, zumal ich noch Disco-König war und sozusagen der ewige 'Tom Hagen' (Consigliere) der Clique. Meine frühe Unabhängigkeit bescherte mir unzählige Annäherungsversuche.

Emanzipation, in den 70ern und 80ern ein Mega-Thema, war für mich nur anteilig durch die Frauen selbst zu erreichen. Wer sich ändern musste, waren wir Männer. Ich vertrete noch heute die Meinung, die Sache der Frau entsteht, wenn ich mich als Mann konkret RAUSNEHME. Ich muss was tun - und zwar fortbleiben, weggehen, bei Seite treten, mich auflösen.

Bis ca. 40 war das schwer zu verklickern. Unsere menschlichen Programme und Neigungen zu 'Meine Frau - Mein Haus - Mein Geld - Mein Auto' sind evolutionsbedingt und von größter Ausprägung bzw. Kraft. Sich dagegen zu wehren, daran scheitern selbst härteste Emanzen, intellektuelle Beziehungsformen, neue Modelle oder auch ich. Was immer noch beständig besteht: die Macho-Beziehung, Beispiel ist Robääärt und seine Carmen - 40 Jahre Wettbewerbsehe - er spielt den Helden (Tarzan) und sie stichelt ihn dazu an, als Sirene sozusagen ... hach.

Ich war 18, als ich sagte: Lass mich eine iranische Atomphysikerin kennen lernen ... meine Hymne damals: von Reinhard Mey 'Annabelle'.


Meine Liebste und ich. Am 13.09.2019, frisch vermählt :-)

Ich mag keine Abhängigkeit. Das ist mir schlicht zu dämlich und von keiner Form. Man kann bei einer Abhängigkeit in keiner Weise irgendwie anständig und im korrekten Kontakt miteinander sein.

Zudem: ich will eine gescheite Gesprächspartnerin. Ich will ihre Macht spüren, ihren Willen, ihr Drohen, ihren Krieg, ihre Schlacht. Ich will sehen, wie sie verantwortet, ansagt, fordert und klarstellt. Ich will ihr Denken und Fühlen, ihr Handeln und Gestalten. Ich will von Ihr ihr Werk. Noch vor 10 Jahren eröffnete ich in XING einen Thread in der Hochbegabtengruppe zum Thema Künstlerpaare. Ich will streiten. Ich will mich trennen. Ich will in zwei Wohnungen wohnen oder in fünf Wohnungen und in vier Städten.

Was ich nicht will - dass sie von mir abhängig ist, nicht in der kleinsten Weise. Das nervt nur. Und nähren tut es mich auch nicht, so ein rausgeputztes Chouchou. Was ich will, das sind ihre Zweifel, ihre Dunkelheit, das Mystische, das Abzuwartende, ihren Schmerz und ihre Abgründe.

Erst mit dem Ende meiner ersten Ehe änderte sich das Blatt am Beziehungsmarkt - es gab, 20 Jahre später - selbständige Frauen, die trotz Beziehung, selbständig bleiben wollten.

Die Selbständigkeit einer Frau ..., ich finde noch heute, das ist eine wahrlich schwere Einstellung und Aufgabe - und meist auf unsicherem Grund wegen der Fehlinterpretationen von männlicher Seite. Ich meine sogar zu beobachten, dass noch so selbstgewonnene Frauen mit sich selbst kämpfen müssen, täglich und immer wieder, als wäre es wider die Natur. Mir tut das leid.

Für mich gab es immer dieses Bild, dass ich mich in der Beziehung mit ihr "fortnehme". Und dass ich mich darum bemühe, Situationen so entstehen zu lassen, dass Sie im Bild ist, dass Sie gewürdigt wird, dass Sie frei atmen kann. Dann kann die Frau sich selber sein und bleiben.

Sie merken, je länger ich schreibe, desto verzwickter wird es, was ich möchte dann auch clean zu behalten - das ist nun die tägliche Arbeit auf beiden Seiten der Geschlechter.

Und vielleicht sollte ich weniger sagen, ich will eine Emanzipierte. Vielleicht sollte ich viel mehr deutlich darin sein, gewollt und gewünscht und glücklich dabei, täglich diesen Kampf um diese Sache in der Beziehung miteinander zu leben.


Jona Jakob (c) 2019

Mittwoch, 2. Oktober 2019

Ich liebe McDonalds

Ab und zu kommt es mich an, da möchte ich für einen Moment verschwinden. Das kann hier in Deutschland aber auch woanders in der Welt geschehen, ich will mitten im Tag fort - weg hier.

Dann fahre ich die wenigen Kilometer in einen McDonalds, gerne etwas außerhalb eines Ortes, ihr kennt diese Gelände, welche neben einem Verkehrskreisel, am Rande der Industriezone, bei einer Tanke, also irgendwo im Nirgendwo liegen. Brache Brachen. Dort fahre ich hin, parke, steige aus und gehe rein.

In einem McD bist du niemand. Mit dem Eintritt erlöscht deine Identität, man kennt dich nicht, keiner nimmt Notiz von dir, du bist sofort undefinierbar wie alles hier. Das ist ein schönes Gefühl.

Irgendwo bei Darmstadt ... (Bild: JJ, 2019)

Keine andere Kundschaft nimmt dich wahr, außer du nimmst wem den Vortritt. Doch damit ist heute auch schon Schluss, da man jetzt an Terminals auswählen, bestellen und bezahlen kann. Ob dort oder noch am Tresen, mit seinem Mikro, dem Bildschirm, der Menuführung nimmt das Personal keinen Kontakt zu dir auf, du brauchst nichts zu befürchten, da ist niemand. Was du kriegst, ist ein Plastikständer mit einer Nummer und eine lange Quittung, als wäre sie ein Bingoschein.

Ich setze mich in eine der abschottenden Nischen. Eigentlich habe ich kaum Ahnung, was ich bestellt habe, meine Wahl ist diffus. Bin ich überfordert, bestelle ich langjährige Standards und immer 'Menu'. Selten, dass ich ein Extra-Angebot ordere, was weiß ich, was ich dann erhalten werde - lieber nicht, lieber das Gewohnte, also Big-Mac-Menu-mit-Cola-light-ohne-Eis-dazu-drei-Portionen-Ketchup-und-ja-normale-Pommes. Das ist mein Gericht. Eine noch nie gesehene Bedienung bringt dir "Nr. 174?!" und wünscht noch "Guten Appetit."

In dieser Zeitblase des Daseins bei McD mache ich Pause. Ich muss nicht präsent sein, niemand achtet sich auf mich oder meine Essmanieren. Ist egal, sie haben mir acht Servietten mitgegeben, das Plastiktablett fängt notfalls alles auf, was sich irgendwo rausdrückt und runterfällt. Meine klebrigen Finger sieht niemand, alle sind auf ihren ganz eigenen Zauber konzentriert. Wie ich aussehe, zählt nicht.

Bei McD zu sitzen löst bei mir das Gefühl aus, welches Falco damals in einer Textzeile besang: "Und ihr werdet mich nicht finden - niemand wird mich finden ..." Ob hier in Kleinostheim oder in der Tangente von Barcelona beim Campus Nord, in Maisach bei München oder Altstetten in Zürich - das Terrain McD ist fort von dieser Welt, es nimmt dich ein, es reißt dich raus aus deinen Dingen, deine Last des Alltags wird extrudiert, geformt, paniert und rausgebacken. Alles golden-crispy nun.

Noch während ich die neuen Angebote studiere, die bis zum nächsten Besuch von noch neueren Angeboten abgelöst sein werden, kaue ich auf Undefinierbarem ohne Geschmack. Es fasziniert mich wie jene Symphonie, 4'33", in der über diese Zeit kein einziger Ton gespielt wird. Man tut aber so. Dass mein Körper darunter leidet, drückt der erst aus, wenn ich wieder in der Welt angekommen bin. Aber bei McD kann ich gut so sein - ohne jede Berührung, ohne jeden Bezug zu irgendwas, egal auch die Tageszeit. Wenn mich etwas interessiert, dann die Spielsachen aus den Kidsboxen, die ich nicht verstehe, die aber gefragt zu sein scheinen.

McDonalds ist eine Pause. Nicht einmal die Geschmackssinne müssen was erfassen, das System lenkt mich, ich bin ein Gleiches unter Gleichen. Mir ist es keinen Gedanken wert, wenn da wer Übergewicht hat oder Kinder schon dick sind - gehört thematisch alles nicht hier hin. Nicht einmal mein Handy interessiert mich. Facebook? Viel zu nahe. Twitter ... echt jetzt? Trump? Friday-for-future? Mir alles egal, ich bin hier und das ist gut so, reicht ja schließlich.

Und so verweile ich dort zwischen Menudisplays, Pseudodesign, Plastik und Undefinierbarem - und bin - Nichts geschieht, kein Fortkommen, keine Entwicklung. Alles Zero.

Dann fährt mich mein Wagen zurück ins Bewusstsein von Verkehr und anderem. Fertig Pause.


Jona Jakob (c) 2019