2009

Alle Texte von Jona Jakob - Copyright Jona Jakob ©



Dez 09

Feinst

Welch Hauch
die Zeit
zu schieben
vermag -
zernagt
was war.
Welch Leid
Ihre Faust
spie
ins Innerste -
 -wie-
zerbreit.

Jona Jakob, Dez. 09


Dez 09

YCH

Gestern war Fondue-Abend. Der grosse Raum ist weihnachtlich geschmückt, die Tische sind alle gedeckt, die gesamte Gesellschaft ist anwesend. Ich suche mir 'meine' Leute und setze mich an einen Tisch. Ich werde sehr herzlich und mit viel Wiedersehensfreude begrüsst. Die Vorstandsleute freuen sich besonders. In all den Fragen nach: "Wie geht es dir?" kann ich ruhig bleiben, zuhören, ein paar Worte bestätigen oder ergänzen und einfach belassen und gelassen den Käse abholen, das Fondue für drei Personen anrühren und den kochenden Schmauss geniessen, bis der Samichlaus von diesen oder jenen Begebenheiten des Jahres seine Geschichten erzählt. Selbst die älteren Semester haben ihre Boote noch. Ein mir sehr liebes Mitglied hat ein wunderbare Partnerin gefunden und ist gerade zusammengezogen. Sie wie er führen eigene Boote. Die Junioren, Kinder allesamt, belegen unterdessen zwei ganze Tische. Wo früher noch 4 Kinder waren, tummeln sich nun geschätze 15 Jüngste, segeln angeblich aktiv und stellen eine prächtige Kleingesellschaft. Aber auch die Hoch-Alten sind noch auf den Beinen. Und der 'harte Kern', der scheint unerschütterlich, warm, gefreut und familiär. Es ist wunderbar.

In all dem Gedönse und Gerede werden Visitenkarten getauscht, Fotos gereicht, die Caquelons abgewaschen und Fruchtsalat zubereitet. Die Leute betonen noch immer, dass ich Initiant der 'Spirit of Horgen' gewesen sei und ja stets noch die Website erstelle.

 Da eröffnet mir der Präsident, dass er wegen einer 'Onyx' Rennyacht verhandle und "..es sehe recht gut aus". Das eigene Projekt würde in eine zweite Yacht übergehen - ein stiller Erfolg des Konzeptes.  Es hat für alle von allem, der 'Karren' läuft wie geschmiert. Da kaufe ich mir zwei neue YCH-Kleber, verabschiede mich bis zum Frühjahr, wo man wieder zusammenkommen will und denke mir, der See ... der Zürichsee ist auch (m)ein Zuhause und was für eines.



Nov 09

Manchmal

Manchmal,
wenn ich in Stille
ein Hemd bügle,
es übers Brett
hebe, ziehe, strecke,
mit Eisen und mit Dampf
glätte,
alle Ecken, Winkel gleiche,
zwischen Knöpfen, Krempen,
wenn ich es knöpfe, falte, streiche ...
dann empfinde ich es manchmal -
als läge vor mir der ganze Mann.

Nov 09 / JJ



Nov 09

Fallende Blätter

Bilder eines Herbstes,
der in die Stadt gezogen,
welche wie 'da' war.
Es ist die Zeit, die rollt und sich fortbewegt
und in ihr erstarren wir oder gehen mit ihr mit.
Leben finde ich immer dann ganz besonders schlimm,
wenn ich tausend Dinge tue,
darob aber verharre.
Erst in Momenten,
wo das Eigene und Wirken
sich der Zeit anzuschliessen vermag,
erlebe ich Sinn.
Alles andere ist mir Dumpfheit.
Mit jedem Tag mehr.
Da werde ich zum Sandkorn,
abgewaschen durch der Zeit Zug
von meinen Kanten,
bis ich nicht mehr bin.
Zerstreut.
Was aber vermag ich zu bilden?
Des Strom' Linienform, wie alle andern?

Nov 09 / JJ



Nov 09

So.

So steh ich da, mit dir,
die Musik verklungen
und fühle deinen Atem am Hals,
am Druck gegen meinen Arm,
der noch um dich liegt,
wenn die Brust sich wölbt.
Und du, die weiter allein bleibt,
mit deinem Gesicht am Pullover,
als könnten wir dich alle 'so' nicht sehen.


Okt 09

>> Kannst du 'misty fog grey' noch ein bißchen definieren in Buntstiftfarben-Angaben? <<

Hmmm....

Weites Feld, alter Baumbestand, der Rahmen für ein Ölbild. Knappes nebelkaltes Licht. Kälte wie in diesen Tagen.

Feuchte Schwaden dringen zu den Ärmeln und am Kragen rein. Sie trägt schon Stiefel, den Kragen oben und ein dickes Halstuch, als mir ein Hauch Sandelholz und Vanille anfliegt.

Es knirscht nur der Kies unter den Sohlen. Schweigend geht man nebeneinander her. Erste Begegnung, nach all den Briefen. Eigentlich ist es ein neuer Nullpunkt, so beim ersten Mal. Das Gehen, es verhindert einen stockenden Atem. Der Puls bleibt unterm Wollenen versteckt. Beider Blicke vereint im sich verlierenden Grau des Nebels. Da hakt sie sich bei mir am Arm ein und schweigt weiter.

Misty Fog Grey.


Sep 09

Deine Farben sind golden wie spätsommerliche Sanddünen, trocken und blond und sandig. Ich sehe dir vom Kopf her über den Rücken runter und möchte das wie ein Tag am Meer beschreiben. Hinter dir zu liegen ist, als stünde ich noch im Dunkeln des Tages, der Neues bringt. Vor dir, auf der mir nicht sichtbaren Seite, geht die Sonne auf. Dort möchte ich hin.


Sep 09

Limbach lag wach. Nach einem gefühlsanstrengenden Tag war er nach zehn zu Bett gegangen, weil ihm die Augen zufielen. Aber jetzt lag er wach. In den letzten Tagen waren die Wahrnehmungen ausgewogener. Irgendwie gab es Themen aus der nahen Vergangenheit, doch gab es auch Themen, welche die Zukunft betrafen. Er empfand es ausgeglichener. Im Moment gab es etwas Erfolg, was sich besser anfühlte, als Ungewissheit. In dem Jahr hatte er um sich gelernt. Das Schreiben bereitete ihm eine neue Mühe, denn früher schrieb er, wenn er am Boden war. Er war nicht mehr am Boden. Er hatte innerlich auch gar kein Ansinnen, am Boden zu sein oder sich dort noch aufzuhalten. Er shipperte, war unterwegs, hatte einen eigenen Hafen, wurde geordert. Das Ganze hatte nichts Unverschämtes, aber wie noch vor zwei Jahren, war es nicht mehr. Es war neu. Das Unterwegssein barg andere Ängste. Locker war er bestimmt nicht.

Limbach wusste nicht, ob er sich fürchtete, noch weiter vom Boden wegzukommen. Das konnte sein. Oder vielleicht gab es auch im Leben eines Menschen so was wie 'Sprungfixe Aufwände', so dass das Wachstum an einem Punkt einen enormen Aufwand bedeuten würde, den er nicht schaffte, nicht genügend abdeckte oder sich darum kümmerte. Das war Limbach noch nicht wirklich klar. Aber es ärgerte ihn innerlich. Er wollte da weg, wo er im Moment war. Das Warum war ihm klar. Doch das Wofür hatte sich noch nicht eingestellt. Was er aber davon bereits empfinden konnte, lag sehr nahe bei sich. Das gefiel ihm. Das gefiel ihm nicht.

Ich glaube, Limbach schafft sich eigene Hoheitsgewässer. Das empfand er als 'gesund' und 'berechtigt'. Irgendwie liess er darauf wenig kommen. Und die andern, die fanden es gut, die fanden es nicht gut. Weiss nicht ... aber nächstens wurde es Zeit.


Sep 09

Constanta II

Ich zog an den Main. Der liegt ca. 30-40 m vor mir. Und dann fand ich heute Nacht eine Europakarte der Binnenschifffahrt, ein schwarz-weisses A4-Dokument mit fetten schwarzen Wasserstrassen. Und? Unglaublich:

Ich kann von Seligenstadt bis Constanta (Schwazes Meer) durchshippern:

- Seligenstadt
- Würzburg
- Regensburg
- Linz
- Wien
- Bratislava
- Budapest
- Belgrad
- Orsova
- Ruse
- Constanta

genial....weiter forschen, Schiffe mit diesem Streckenauftrag finden ...

Langsam erwacht da was in mir....


Sep 09

Constanta

Herbstkühle, Bodenwind, Zeit sich zu bewegen. Nebel der einem Schützt. Vielleicht würde die Richtung nicht gleich erkennbar sein, doch vor welcher Tür er stand, war ihm erkennbar. So lag dieser nachtschwarze Fluss vor ihm und lud ihn ein, ihn zu nutzen. Das würde dann seine Reise werden. Zum Grund. Zum Grund des Flusses. Dort wo die Gestaden hüfthohen Grases standen, steil und zwischen Tälern. Und es einen Blick für ihn gab, der ihn sehen konnte. Zum Grund. Dunkel  und klar, Constanta. Der September-Baum ist von umwerfender Wucht.



Juli 09

Vom rohen Roden

In der Früh wird eine Uferböschung von einem Bagger bearbeitet.
Büsche weg. Gräser weg. Erde weg.
Erde wird auf ein Frachtschiff gebaggert.
Es wird Mittag.
Es wird Nachmittag.
Dann stehen an dieser jetzt kahlen, erdigen Uferstelle auf einmal acht Gänse.
Acht Gänse schauen regungslos in Reih und Glied nebeineinander aufs Wasser.
Seit Stunden.
Stehen da und schauen und bewegen sich nicht.
Stunden.
Die Sonne scheint.
Fassungslosigkeit klingt an.
Le fait à complit.
Acht Gänse stehen in den späten Nachmittag hinein am gerodeten Ufer und sind lautlos.
Abend.
Die Gänse fangen gurrend an zu reklamieren.
Gurr, gurr, gurr, gurr...
Das kahle, erdige Uferstück muss von der Sonne sengend heiss sein.
Gurr, gurr, gurr, gurr...
Acht Gänse, als wären sie beraubt.
Fliegen spät weg.
Was wohl morgen sein wird?
Hatten sie dort gebrütet?
Fliegen sie nun fälschlicherweise nach Indien statt nach Südafrika?
Acht Gänse.
Stehen in Reih und Glied und schweigen.
Kahl ist seit dem Morgen das beerdigte Ufer.



Mai 09

Gold-Küste

Auf der Fahrt der Seestrasse lang das Gefühl, dass das Teure jegliches Gute verdrängt. Ich erlebe es wie eine Blindheit, weil das Geld vorhanden ist. Es muss ausgegeben werden, repräsentativ, damit die qualitative Perfektion das Image poliert.


Dem gegenüber weiss ich von Stunden der Menschenleere in wildreichen Wäldern, von Heuwiesen, Tümpeln und Auen, nicht weniger nah an einer Metropole. Doch hier erfahr ich eine Form der Klaustrophobie, am Materiellen zu ersticken. Hier wirkt kein Busch mehr natürlich, jede Sonnenterasse hinterlässt dringend den Eindruck, auszuladen.

Mein Empfinden. Ich hab noch eins.



Jan 09

Eintrag in ein Gästebuch

Westwind. Startbahn.
Ein Atlantiktief schleudert Wolkenschiffe über seinen Ausleger.
Was war schon in diesen Tagen?
Etwas Birthday noch, Nachräumen.
Ferienzeit in den Strassen, stille sein.
Zeit fürs Nachdenken,
für den Blick über diesen flachen Grund,
für den Blick in den offenen Himmel.
Zeit für ein Gespräch, bei dem frau seine Hände sehen konnte. Endlich. Als sein Bewegen, sein Reden, sein ruhiges Eintreten zum dem passte, wovon sie versucht hatte, sich eine Vorstellung zu machen, blieb die Zeit etwas stehen.



Jan 09

So blickend ...

Der Mann setzte sich langsam, einsackend, mit dem Rücken an der sonnenwarme Wand, auf den staubigen Boden. Er sah weg. Weg, so weit als möglich. Das tat seinen Augen gut. Es roch abendlich vermischt. “Shit -” dacht er, “was war gewesen?”

Von letzten Weihnachten wusste er nicht mehr zuviel. Das Jahr insgesamt, es machte so viel her, dass er sich nicht mehr recht erinnerte. Vor lauter heftiger Momente war er für Heftigkeit gefühllos geworden. Selbstschutz vor dem Lärm heranrollender Wellen des Bestehens.

Jetzt, da er mit dem Rücken zur sonnenwarmen Wand im Staub und abendlicher Gerüche sass, da kam ihm das alles unglaublich vor. Er ertappte sich dabei, dass sein Sein oft bemüht war, Stillstände zu erzeugen, Augenblicke von Küssen, in denen sich die Welt für einen Moment nicht weiter rührte. Sein Hände hingen unbeteiligt in der Luft, die Unterarme auf den Knien liegend, ein Irgendwas zwischen den Fingern zerreibend. Sein Blick hing ebenso.

“Was hatten die geglaubt, was sein würde, als er sich nicht für den Tod entschied, damals an jenem Dienstagabend?” Ein ‘Camion ALVAREZ’ rollte bebend vorbei nach Irgendwo. Vielleicht war der, so mächtig wirkend, nichts mehr als leer.
Da leckte ihn ein Hund am Kinn …



Jan 09

Zu einnehmend.

Vielleicht würde der allein gehende Herr, der im Lodenmantel die Parkallee abschritt ohne dabei andere Menschen zu beachten, einen verstohlenen Blick gegen die Sonne wagen … es gab Kindergeschrei und ein Ball rollte … doch er wollte sich nicht ablenken lassen ob der Weichheit eines Nachmittages - zu einnehmend die Erinnerungen, wenn in der gehenden Bewegung sich sein Mantel etwas auf und ab wölbte und so dem Cashmere seines Schals ihr Duft entstieg.



2009

Nahe Ferne

Es gibt an einer der Ecken der Strassenkreuzung einen kleinen Park. Seine Fläche ist nicht grösser, als ein halbes Fussballfeld, wenn überhaupt. Den muss Limbach durchschreiten, wenn er in die Gassen des Zentrums möchte.

Als er von seiner Tour zurück kam, es war an einem Samstag, hatte er eine leichte Tasche Pennimarkt und Bioladen sowie kurze Haare eines düsteren Kabinetts dabei, welches sich ‘Schrägschnitt’ angeschrieben hatte. Den letzten Haarschnitt in dieser Metropole erhielt er von einem Laden, der sich “Sex, Luxus und ‘nen geilen Haarschnitt” nannte. Er hatte Schlüssel zur Wohnung und war noch für einen Moment allein, so kam er an den ziergepflasterten und geschlungenen Fussweg, der ihn vom einen Ende zum gegenüber liegenden Ausgang führte.

Herbstblätter in den Farben Gelb bis Rot und Braun lagen zuhauf am Boden. Mit jedem Schritt raschelte es um sein Füsse und Blattwerk schob sich an oder flog beiseite. Es war nachmittäglich ruhig, nichts drängte. Über ihm die stolze Trauerweide hängend, halb nackt. Eine Niemandsbucht bot sich darunter an, blieb aber schattig und feucht auf den Sitzflächen. Es war kein Mensch umher, in dieser riesigen Stadt. Das Laub machte es nicht einfach, den Weg zu erkennen, leicht trat man in die Rasenfläche. Büsche, mit dickem, dunklem Grün grenzten ab. Baumkronen bildeten zum Himmel hin eine Corona, in ihrer Mitte ein Stück Himmel fürs Licht freigebend. Das erzeugte den Kontrast von gelb scheinender Rasenfläche und gründdunklem Rand an Busch und Mauer.

Da blieb Limbach in dieser Oase der Ruhe für einen Moment in Stille stehen und liess sich darin aufnehmen. Er fühlte mit seinen Füssen, er schritt aus dem Rücken heraus, es dachte mit seinem Becken, es sprachen seine Schultern und hören, hören tat er mit dem Herz. Seine Augen atmeten. So stand er in diesem Nest an alter und hoch gewachsener Natur still, nichts mehr hoffend, als Annahme in ihrem Dickicht zu finden, aufgenommen zu sein, wie von einem weichen Sofa, in dessen Kissen seine Seele die nötige Wärme finden würde.

In naher Ferne klopften Containerkräne, klangen Hörner, brummten Motoren von Hafenfahrzeugen und ein Nebelhornsignal weckte den da stehenden Mann aus seinem Bleiben durch alle Zeilen der Ziegelstein-Wohnhäuser und Baumreihen, als hätte die christliche Seefahrt einen eigenen Lautsprecher. Limbach brachte, so belebt, die Lebensmittel nach Hause und nahm dann ein warmes Bad.


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