2007


Alle Texte von Jona Jakob - Copyright Jona Jakob ©

Okt 07


Checkend

Sich dem Autobahnende nähernd schloss der Folgende in der stetig rollenden Wagenschlange so nahe auf, dass Limbach im Rückspiegel den Fahrer und seine fröhliche Beifahrerin sehen musste. Sie waren beide vergnügt. Zu ihrem dunkeltönigen schmalen Gesicht trug sie eine jener 20er-Jahre-Brillen mit den hochgezogenen Ecken, als wäre sie ein Abbild einer Gouvernante oder Lehrerin. Doch sie war nicht keifend sondern fröhlich, entspannt, alberte rum und  lag in jenem eigenen Lachen, in dem eine Frau glücklich sein konnte. Auch ihr Fahrer war wach, wandte sich ihr zu, erzählte und zu einem Song, der frisch angeklungen sein musste, tanzte er mit seinen Armen vor ihrem Gesicht herum, in der Geste sie einladend, als wäre es ihrer beider Song, der sie an vergangene gemeinsame Momente erinnern sollte.

In der Wagenspur rechts von Limbach, bald auf selber Höhe, rollte ein kleines blaues offenes Auto, dessen Fahrerin auch bei herrschender Biese und den tiefen Kältegraden mit offenem Dach fuhr. Sie trug, von hinten einzig erkennbar, eine jener hochgesteckten Dauerwellenfrisuren aus den 80er-Jahren, als Jennifer Beal in Flash Dance und Kelly McGillis aus Top Gun angesagt waren. Mêches, satter weisser Wollschal, runde Sonnenbrille und gepflegte Nägel an einer Hand, die das Steuerrad sozusagen in einer inneliegenden Spannung umfasste, als wüsste sie, was sie täte. Die Wagenkolonne, in welcher Limbach links davon stand, schlich sich in Kontinuität an den Wagen der rechten Seite vorbei, so dass ihr Gesicht hätte sichtbar werden können. Doch das interessierte ihn nicht. Er hatte seine eigene Hypothese. An dem kleinen blauen offenen Auto vorbeirollend blieb er aufmerksam im Ausschnitt seines eigenen Rückspiegels, beobachtend, ob der Folgende folgte.

Der war sichtlich nervös geworden. Das unterhaltsame Spiel mit der Beifahrerin enthielt bereits jenes Etwas von einem Zögern einer sich noch offen lassenden Option, so als würde er ihr nie ganz zugesagt haben. In seiner Situation als Nachfolgender hatte auch er an dem kleinen blauen offenen Auto vorbeizufahren. Noch so tuend, als sei das Gemeinsame der Minuten zuvor unvergiftet gleichbleibend, suchte der Folgefahrer den Schutz jenes totwinkligen Freiraums, den er gewinnen konnte, wenn man zu zweit in die selbe Richtung sass. Sie konnte nicht mehr alles sehen, was er als Fahrer tat .. oder sie konnte es hinter ihrer Brille auch als Notwendigkeit auslegen, wenn er, nun überholend, in den Rückspiegel sah, im Glas bemüht das Gesicht von Jennifer Beal suchend, in dem sein Kopf etwas zu weitläufig das Spektrum an Winkeln abschwenkte, bis es ihm 'checkend' möglich wurde zu beurteilen, was es an Optionen noch zu beachten gab. Einmal 'ihr' Gesicht erheischend im Spiegel gefunden, fiel er, für seine Mitfahrerin kaum erkennbar, etwas in die Rückenlehne seines Fahrersitzes zurück, zwei kurze Nachblicke folgen lassend, das Mögliche nun ergattert und darüber selbst befriedigt.



Okt 07

Betrachtung

.... ich sehe rechts von mir dich, die du dich selber hältst und mit dem Blick im Innern zur Seite schaust, weil irgend ein Geräusch deine Aufmerksamkeit kurz anspricht und du doch ernst bei dem bleibst, was dich wäre, was aber zu fehlen scheint. Damit du dann wieder ganz du wärst, kann es aber kein X-beliebiges sein.

Es muss eins sein, das im Seinen das Deine ist!



Sep 07

Völle.

Das Bemühen,
das Wahre zu erreichen,
ist von solch Innerlichkeit,
dass es Momente gibt,
wo ein Schub Müdigkeit
dir das dem Inneliegende
an Gefühlen zu rauben droht.
Dann sieht das Auge nur
die Lücke neben Dir.
Doch verzage nicht.

Weniger als eine Lücke ist's,
wenn wegen eines Körpers,
der nie das Wahre trifft,
neben Dir die Lücke, fürs Auge,
nun als 'gefüllt' sich misst.

Dann wäre da ein Körper
der das Wahre, das Echte,
das alles, welch's die Lück'
in Völle hoffend dir liess,
besetzen? besitzen? würd.

Ruhe,
damit dein Herzen sieht,
und Deine Augen strahl'n,
welch Blick Dir inne ist.
Ergibt sich der Raum einem Zauber,
leis-still wird dies dein Aug' schliessen,
und an Stelle des Gefüllten
als Gefühltes in eurer Herzen blühn.

Dann auch duftest Du von allein.

Geburt. Kind. Mensch. Du.



Aug 07

Ambient.

Strecke über Flachland,
nachts ein Wagen rollt.
Des Kegels Licht das Korn streift
den Strassenrand ins Nichts.
Ziellos Lust am Fahren,
vorbei an schlafend Haus,
Schilfgras, Moderluft,
es klingt ein Ambient finster
über Hubraums Rausch.

Blickwach leer die Sicht,
der Weg kommt aus dem Innern,
als Ahnung einer Nachtfahrt,
an Ort und Anfahrt lang.
Ziellos Lust am Weichen,
an Brachen voller Licht.
Grundstoff Chemie,
Verkehr gleich,
Transaktionen von Werden mischt.

Die Zeit schleicht ohne Verluste,
wenn so empfunden fahl.
Denn wo kein Ziel, nur Fahrt
als Transaktion von Werden,
kein Zeiger kreist formal.
Ziellos Lust am nowhere,
bildlich ins Finster des Lichts.
Konturlos Klang, Form oder Stimme.
Was klingt ist Ambi-Geflimmer.



Aug 07

Kaltblütig.

Montag, erst. Ein Termin zu früher Stunde. Zwei Schnelle werden sich schnell einig. Einkäufe folgen und ein Anruf. Sofort. Gerne. Ein Schreiben zu schreiben. Ja. Nach Hause. In der Pause laufen. Vorbereitungen, das Schreiben schreiben. Los. Abgegeben im Doppel mit Kuvert und Instruktionen. Weiter. Dritter Termin. Klarheit und Spass, Verstehen und weiter. Zeugs im Auto gezeigt. Tschüss. Nochmals Einkäufe und nach Hause. Lust auf Lamm. Raus zur Stosszeit. Links das Antiquariat. Kaltblütig gekauft. Klebrig. Lamm bestellt. Zeitung. Lamm, vorliegend. Daher Kaltblütig gelesen. Wege'm Format. Herr tritt ein und liest Titel von Zeitung, will sie aber nicht. Trotz Angebot. Nein. Bestellt. Setzt sich daneben und fantasiert. Von Hurricans und US-Bombern mit Absicht. Sein Essen kommt. Kaltblütig gelesen. Gezeter wegen der Sosse, der Herr. Bei Kaltblütig geblieben. Essend, beide. Und lesend. Da greift der Herr in seinen Rucksack, holt eine Schnapsflasche hervor, der Herr, und konzentriert sein Glas Rosé um ein paar Prozente. Kaltblütig. Von den Schächern des Lamms grad keine Spur. Capote notiert auf Seite 11 : <<Aber dann, in den ersten Stunden jenes Novembermorgens, es war ein Sonntag, zerrissen fremde Laute die normalen frühmorgentlichen Geräusche Holcombs - das ferne Heulen von Präriewölfen, das trockene Rascheln von Disteln an Holzplanken, das aufschrillende und verhallende Klagen von Lokomotivpfeifen. Keiner im schlafenden Holcomb hatte sie gehört - vier Gewehrschüsse, die, alles in allem, sechs Menschen das Leben kosteten.>> Schanzenspringen am Bildschirm. Kost beglichen. "Hmm, vier Schüsse, die sechs Leben kosten.." Heimfahrt, regnerisch und während der Rauschstunde. "Der Herr, einfach einen Schuss..." Trefflich? Köstlich? - kaltblütig.



Juli 07

Ab.

Du sprachst von Blumen
und Düften
in allen Ecken -
So war dein Zuhaus,
als eine Katze sich
an mein Bein strich.

Jetzt, da Zeit verloren,
kein Zurück mehr da,
war es mir nicht wichtig.
Du lachtest heiter,
als L. von früher erzählte.
Davon und weiter.

Seegeruch, hautwarmer Hauch.
Käfer trieben sich.
Gras wuchs.
Ich konnte es endlich hören.
Ein Zug fuhr vorbei.
Mein Schweigen wich.

Du sprachst von Blumen
und Düften
in allen Ecken -
So war dein Zuhaus,
als eine Katze sich
als Schweigende
von mir schlich.



Mai 07

Vollmondzeit.

Vollmondzeit.
Die Tage darum.
Keine Nächte,
in denen mich
Schlaf
wiegen würde.
Wach das Innere,
Nachtlicht verstrahlt.
Regend mich
in Schattenland,
den Räumen ohne Licht.

Ein Zeh kneift,
eine Haarsträhne
fällt
seitlich ab.
Gedanken
schultern sich
von innen
ans Gestirn.
Von den Gefühlen
soll später die Rede sein. Wenn dann.

Sturm gleich
mein Generve.
Knochen
finden keine Ruh.
Es zieht das Band
am Muskel,
die Gelenke kugeln,
das Herz hat
keinen Stand.
Ich atme Finsterluft.

Wie unklar doch,
was mich bewegt,
an Geist im Raum,
an Geist mir fehlt.
Ich such im Rausch
des Ohrs
nach Worten,
ihre...deine...meine ..

Gewissen? Abbah!
Es ist der Stunden
noch genug,
der Ruh
zu frönen,
die der Corpus
für sich verlangt.
Es ist Auszeit,
keine Vernunft.
Es ist Seinszeit,
in jeder Sekund.

Und du,
wie auch du,
und andere auch,
es wäre ein Fest
mit euch - jetzt.
Der Unterarm sich
von der Liegstatt
leicht erhebt,
die Hand daran hängend,
einem Schnabel gleich,
einem Stempel,
einer Berührstelle.

Ein Fingertipp würde
genügen,
- die Hand sucht im Leeren -
zu geben,
was innerlich rauscht,
was zu geben wäre,
noch unverbraucht. Wenn dann.

Ein Getränkt
täuscht
über das Süsse hinweg.
Das Fingerzucken,
Jucken ...
so also hier,
für's Gucken. -

Es hilft
ein Bad
in des Livings
Klängen.
Und ich nachdenk  mir:
- Wer allein schläft,
ist irgendwie selber schuld! -



Mai 07

Er ging unter Deck lang, schritt Meter für Meter ruhigen, gleichmässigen Gangs ab und lauschte dem Auftritt seiner Sohlen auf dem trockenen Holzboden. Dann blieb er stehen. Alles ruhig. Er bückte sich. Mit einem Finger stiess er die Klemme unter dem Brett beiseite, so dass er die Bodenplanke lösen und anheben konnte. Licht. Ein Schein fiel auf die Bilge, dem tiefsten Punkt im Schiffsrumpf, Sammelbecken für Feuchtigkeit, Moder, Wasser, Dieselöl, Verpisstes und siechende Ratten. Aber nichts dergleichen. Staub auf trockenen Planken, nicht einmal Rumpffeuchtigkeit. Er fügte die Planke wieder ein. Etwas weiter gegen den Bug zu, er war gerade an den gelöschten Laderäumen vorbei, die noch nach seelischem Stroh und alten Dokumenten stauberdig rochen, als eine Kabinentüre leicht auf fiel. Jemand hatte sie beim Verlassen nicht richtig dicht gezogen und daher gab sie den Blick frei auf die geordneten und reinen Kojen. Keiner mehr an Bord. Der Kahn lag im Hafen festgemacht.

Er schloss die Kabinentür und ging an Deck. Die Sonne schlug ihm warm entgegen, als er die steile Treppe empor stieg.  Er mochte den Geruch von Hafen, diesen Duft von Stille und Sicherheit, Wiegen der Rümpfe und Gebimbel der Fallen an den Masten der andern Boote. Warm und träge zog dieser Odeur in seine kennende Nase. Seine Seele ummantelte sich mit der transchwangeren Prise, die Gelassenheit und Ohnesorg bedeutete. Sein Gesicht schwieg. Es wäre bestenfalls sein Haltung gewesen, die man hätte lesen können, wenn wer schon. Spürend, dass er frische, trockene Socken in den Schuhen hatte und ein gescheites Buch in der Rechten lag, schritt der die Bridge runter, blickte von unten an in Richtung Speiselokal und trat ab. Zwei Jungs meldeten sich eilends freiwillig als Wachen. Er würde zwei Tage brauchen, um innerlich etwas davon ablassen zu können, WIE dieses Schiff segelte. WIE!



Mai 07

Limbach ging fleissig seinen Arbeiten nach. Schon in der Hälfte des Morgens drückte die sommerliche Hitze der Sonne auf das Dach des Hauses, unter dem er wohnte und arbeitete. Zwei Bildschirme und sonstige Gerätschaft liessen den Arbeitsraum in sich selbst ersticken. Grund genug, die Badehose anzuziehen, ein Badetuch zu schnappen und sich auf die hundert Meter zu Fuss zu machen, um ein erstes Mal in diesem Sommer in die Badi zu gehen.

Weil ihn ein Hinweisplakat am Automaten für die Eintritttickets verunsicherte, wandte er sich in Richtung Bademeister. Der grüsste grinsend, trat spontan durch die Drehtür aus seiner Badi heraus zu ihm und blieb, bis Ticket und Drehtür in seine Badi überwunden waren. Ein Schlepper sozusagen. Dann wünschte er einen schönen Aufenthalt und Limbach legte sein Zeugs erst einmal auf eine Gartenbank am Ende des 50m-Beckens. Es wurde gerade elf Uhr.

Die Wassertemperatur wurde mit +27°C angegeben, so dass es kein Schnaufen noch ein Zögern gab. Limbach schwamm morgens seine ersten 400 Meter. Das Becken hatte er mit nicht mehr als drei andern Menschen zu teilen. Nicht ein einziges Kind, nur drei ruhige Schwimmerinnen, die ebenfalls ihre Bahnen zogen. Als er fertig war, genoss er ein paar Stretchingübungen am Rande des Beckens, wo eine älter Dame gerade ins Wasser stieg.

Man grüsste sich. Der Rest wurde ein gut zwanzigminütiges spontanes Gespräch über das Schöne im Leben. Obwohl Limbach sich gegen Ende, er spürte bereits die brennende Sonne auf seinen Schultern, mit Limbach vorstellte, gab die ältere Dame noch gleich ihren Vornamen dazu und so kannte Limbach die Dame also gleich per Vornamen.

Er trocknete sich flüchtig ab, zog sein Poloshirt über und latschte mit seinen fünf Sachen Richtung Ausgang, als er auf dem Weg noch von zwei einzeln ihm entgegenkommenden Herren kräftig gegrüsst wurde und die Leute am Kiosk ihm ein Ade und einen schönen Tag hinterher wünschten.

Just in jenem Moment, als er wieder auf dem Trottoir stand, so einzig in Badehose und Poloshirt bekleidet, die 100 Meter zurück zum Haus anstrebend, waren da noch fünf ältere Türkinnen spazierend, in ihren Röcken, Blusen und Kopftüchern, schwer vermummt, tuschelnd und schlurfend.

Mai. Ganze vier Menschen in einem 50m-Becken, erste 400 Meter Brustschwimmen. Fünf Mal laut und unverzögert begrüsst. 11:40. Das Ganze hatte einen Fünfliber gekostet.

Eigentlich war es unbezahlbar.



Mai 07

Heute liess Limbach einen Telefonanruf ersticken und rannte mit dem grossen weissen Hochzeitsschirm erst die zwei Treppen runter und dann ums Haus herum zu seinem Wagen, der vor der Garage stand. Es hagelte seither. Rumps, die Garagentür auf und rumpel, den Wagen rein. Dann, in gelassener Haltung, eingangs offener Garage, das Mobile frisch am Ohr, den Abgehängten erneut ansuchend.  Kinder rannten kreischend nach Hause. Shirts klebten auf Männern. Der Schirm brachte es. Nun gut, von der Hochzeit. Elf Jahre alt, das Teil. Limbach fand das alles gesund. Who cares...



April 07

Während die Eisschranktür sich noch aufwarf und den Blick auf Güter frei gab, ertrank Miles Davis in a kind of blue. Er sah zuerst nichts, das er hätte brauchen können für ein Frühstück. Viele verschiedene Säfte, bis er Milch fand, dann eine Packung, auf der erst Bio, dann Joghurt und erst nachher Butter stand. Er versuchte, sich zu fassen. Jellys, Gläser mit Saucen, Frischfleisch, Gemüse in Tupper. Tuben. Was noch? Gekochte Eier, getrocknete Rauchfleischwaren aus Graubünden, Hartwürste. Er warf die Eisschranktür zurück in ihren Gummirand. Was hielt still in ihm?

Später dann, als er schrieb, verriet er erst, dass der Grundton von Jazz, die Sicht aus dem Raum, die confierte schwarze Johannisbeere und die Hartwurstwaren auf Kernenbrot einem Tisch entsprachen, der in der handelnden Stille seines Gedecktwerdens der Handschrift seines Vaters nahe lag und er darüber sich in sich senkte.



März 07

Kleines Erleben der Tage: Ich hörte einer heftig an mich heran redenden Person zu. Dabei bemerkte ich, dass jedes Mal, wenn sie kognitiv sprach, also Phrasen, Schlagwörter, Pauschales ... dann verstand ich sie nicht, es war mir beim besten Willen nicht möglich, ihrer Botschaft zu folgen. Erst wenn ihr Eigenes einsetzte, war es mir möglich, den Faden wieder aufzunehmen.



März 07

Was nicht sein soll, weckt die Frage, ob denn so viel schon ist?



März 07

"Wohin?" dachte Limbach, als er den ersten Abend der neuen Woche erneut nicht aus seinen Wänden ging. Er war etwas vergällt, weil die letzten Sätze deutlich werden liessen, dass eine gesellschaftlich definierte Zulänglichkeit an Kognition sich als  'Vernunft'  äussern liess, um der Reduziertheit einer gemeinschaftlichen Norm einfach nur gefällig zu werden, bar jeder Rücksichtnahme auf eigene Gefühle und Ehrlichkeiten. Es klang für ihn naseweis und vermittelte ihm den Appell, er solle nun noch Mitleid zeigen. Das war für ihn etwas zu viel.  Zustimmung zu fordern, um selber darüber nicht nachdenken zu müssen, empfand er als eine der schlimmsten Formen von Egoismus.



März 07

Die Kollegin rechts von ihm, die an der andern Seite der Tischecke sass, lachte noch über die Äusserungen eines weiteren Kollegen, als sie ihre Hand auf seinen Unterarm legte. Dabei beugte sie sich leicht vor, sah ihn lachend doch einschwörend an und bemerkte einzig für ihn: "Weisst du, mit grösster Vermutung ist hinter allem rein gar nichts."

Da er dieses Bewusstsein nicht auf den Tisch bringen wollte, schwieg er. Der Bergsee schwieg auch. Die steilen Hänge links und rechts seiner Ufer taten so, als hätten sie es nicht gehört.



Feb 07

Dort.

Wenn ich in mir dort hinten bin, dort, am Brennpunkt des Erkennbaren, wo das Kopflastige keine Chance mehr bekommt, dort habe ich einfach in vorbehaltloser Form gerne, denn dort ist meine Liebe rein.



Jan 07

Wie gefällt die das Buch von Hesse über die Liebe?

Was soll ich tun?

Ich finde weder das Lieben schwer noch das Schreiben. Was ich sehr schwer finde, ist mit jemandem zu schlafen, aufzuwachen, sich die Zähne zu putzen, zu duschen, Frühstück zu machen, sich einen schönen Tag zu wünschen, den Abfallsack runter zu nehmen, Busfahrkarten organisiert zu haben, sich mittags anzurufen, abends etwas zu kochen, die Wäsche und den Haushalt zu machen, den Feierabend zu teilen, gemeinsam Freunde und Freuden zu erleben, bei Problemen zusammen zu halten und gemeinsame Ferien zu buchen, damit man - mal freudiger, mal weniger freudiger - zusammen alt wird.

Das finde ich enorm schwer. Nicht Hesses wärmende Blumigkeit.