Dienstag, 6. Oktober 2020

Unschärfe - Wenn stets die Erde bebt ...

Seit Februar bebt mein Boden, mein Grund. Nichts kommt zur Ruhe. Immer wieder wird Sand aufgewirbelt, setzt sich wieder, wird hochgeschossen, setzt sich, trübt erneut das Wasser und fällt dann neu. Und um ehrlich zu sein, das macht mich ganz schön fertig.

Sich nicht wo niederlassen zu können erzeugt in mir das Gefühl, nicht ankommen zu können. Ich kriege mein Schiff nicht in einen schützenden Hafen, ich kann mit meinem Raumgleiter nicht ans Mutterschiff andocken - für diesmal gilt irgendwie 'No Mothership Connection is real' (Parliament).

Auf dem beständigen Stück, dem Grund, darauf kann das Neue, das Wandelnde, das Kaleidoskope sich zeigen und festmachen. Ein Event könnte so etwas sein: man erstellt für einen Zeitraum ein kleines Wunder und lädt Menschen ein, die davon gewinnen. Oder eine Ausstellung, ein Konzert, ein Workshop, ja selbst der ganz normale Dienstleistungsjob, den die meisten von uns als One-Human-Show abziehen, gerade der findet keinen Rahmen.

Ob uns das dauerhaft mobil macht? Kein Zuhause mehr? Kein Place-to-be? Oder destabilisiert es uns, bis hin zum Zerfall? Als würden die Gebilde kein Fundament mehr kriegen, alles wäre auf Sand gebaut.



 
Wenn uns die Pandemie erneut das Reisen verunmöglicht, von Bundesland zu Bundesland, ist Weihnachten gegessen. Nur dass wir zuvor noch versuchten, das Virus außerhalb der Grenzen zu wahren. Nun kehr sich das Bild und es ist so, dass wir im eigenen Sperrgebiet voll sind, von dem Virus. Wenn ich mich also in Bayern ins Exil gebe, oder in Gefangenschaft, wie man es will, dann bewege ich mich unter dem Zeug und bin Risikopatient mit Kleinsystem von ca. 25 Personen. Meine Relevanz ist relativ, aber das fragen andere Menschen nicht, die erkranken können.

Womit ich nicht weiterkomme: Ich fühle keine Zukunft. Nicht, dass da keine wäre. Aber wie soll ich meinen Kompass richten, wenn stets alles wackelt und bebt? Mein Vater sprach als Mitarbeiter eines Geometers oft von einer Art 'Unschärfe'. Wer noch nicht so genau erkennen kann, was ich meine, der mag sich die neue 'Musik' von James Blake anhören - alles flackert, scheppert, klirrt. Keine Halten mehr, es bebt nur noch. Mit dem Musiker wirbt Apple für seine Produkte und was man damit anstellen kann. https://www.youtube.com/watch?v=MVgEaDemxjc

Was viel mehr Sache ist: Wir müssen weiterziehen. Entweder wir können nicht in Häfen einfahren oder erfahren an den Pforten von Oasen keine Aufnahme. Was dann tun? Wir MÜSSEN weiterziehen, egal wie sehr wir die Rast, das Auftanken, das Verpflegen und Verarzten gebraucht hätten - an ganz vielen Stellen ist keine Aufnahme mehr, misstrauen wird uns in jeder Begegnung entgegengeworfen - wem sollen wir es verdenken?

Wie aber soll ich da noch ausweisen, Coach zu sein, oder Grafikdesigner, IT-Spezialistin oder Therapeutin. Was weiß ich, ob deine Räume kontaminiert sind, deine Tischoberflächen, deine Aerosole. Die Dystopie, irgendwie. Zumindest schwer fassbar und sehr illusionär, die Gegebenheiten, auf denen wir meinen zu handeln.

Aber wir ziehen weiter, lernend die Verluste gering zu halten. Wir lernen wieder, Beeren und Pilze vom Wegrand zu uns zu nehmen, Kräuter, Wurzeln, Blätter für Medizin. Wir sind in unserer dauernden Bewegung Pathfinder, wir bauen Zeltstädte, Baumhütten, Bambusboote und Fantasiegebilde der Notwendigkeit.

Was man tun kann? Das weiß ich nicht. Die Reise fortsetzen und sich so verstehen, als Unruhende und Unruhender. Einfach weniger glauben, dass die See auf der wir shippern so ruhig daliegt. Tut sie nicht.

Vielleicht gibt es in dem Wimmelbild an Horizont eine Sache, die uns sozusagen einen 'flüssigen - liquiden - Grund gewährt, der in seiner Unfassbarkeit doch hält: Das sind Kommunikationen und Transaktionen.

Im Tausch von Nachrichten, Kontakten, Worten, Gedanken, Bildern und Nachrichten sind wir für einen Moment miteinander fixiert und manifest - also wirklich. Wenn ich wen anrufe, wenn ich mit jemandem spreche, wenn ich hingehe und etwas Zeit verbringe oder wo mein Werk verrichte. Darin, in diesem Aktiven, ist etwas vom Eigenem an Geborgenem - in diesem Miteinander. Und wer sich darauf versteht, der basiert auf David Bohms 'Hidden Variables'.

Man kann natürlich so tun, als wäre nichts. Oder dem Glauben glauben. Das geht auch. Das ist jedoch nicht mein Wesen, hierfür bin ich zu sehr unabhängig und mag mich nicht festlegen. Dann lieber Pfadfinder, Wegbereiter, Conductor und Kapitän eines Raumgleiters - weiter und weiter ...

Liebe Grüße aus dem Oszilierenden. Es gibt Tricks für momentane Schärfe. Finde sie dir ... dann sende deine Koordinaten. Und ja, meine Sehnsucht ist nicht kleiner als deine und deine und deine.

Jona Jakob
Coach + Unternehmer, Aschaffenburg