Sonntag, 27. November 2016

Lager-Chöre: ... nicht 'welchem', sondern 'dass man überhaupt' beitritt

Ich weiss nicht, wann es angefangen hat oder mit wem. In der Offenheit der Demokratie nahm sich wer das Recht, sich für richtiger, idealer, besser oder stärker zu erklären. Womit allen anderen gesagt war: ... ihr Loser.

Darauf hatten Heere von Müden oder Schwachen nur gewartet. Es ist so einfach und komfortabel, sich einer Gemeinschaft von Lautstarken anzuschliessen um kraftvoll zu wirken, jenes Kraftvoll, zu welchem man alleine nicht in der Lage scheint.

Ich will hier nicht sagen, allein verbleiben sei ein Zuckerschlecken. Oft ist es anstrengend und auf jeden Fall ist es mit viel Arbeit zeitlebens verbunden. Ich kann also nicht sagen, ob es zu ungemütlich wurde, zu viele andere Bürden einem erdrückten, Anforderungen von hier und dort und kaum ein Gewinn als Ausgleich - jedenfalls wurden Blasen Dammbrüchen gleich angestochen, als sich einer stark machte und Grenzen proklamierte.

Es spielt gar keine so grosse Rolle, ob ich die AfD als solche Kraft nenne, PEGIDA, Orban in Ungarn, die Polen, Trump ... egal, wirklich egal. Es sind für sich alles 'Lager' einer Meinung, Haltung, Überzeugung. Es sind Chöre.

Endlich eine klare Dualität von Gut und Schlecht, Richtig und Falsch, ... und damit von 'Ich-zähle-dazu' zu dieser vermeintlichen Richtigkeit und dem Gut-sein. Ich bin für Hoeness und Rumenigge, da ich für Bayern bin. Ich bin für Rosberg, da ich Deutscher bin. Ich bin für Petry oder die AfD, da alles andere falsch ist.

Fahnen, Farben, Wimpel, Grossanlässe - sie alle tragen neu dazu bei, einem das Gefühl zu vermitteln, wo dabei zu sein.

"Dass-man-überhaupt-wo-beitritt" ist das Abgeben der eigenen Seele an den Teufel - es spielt wirklich keine Rolle, an welchen Lager-Chor Sie Ihre Stimme und Ihr Dasein abgeben. 

Einmal abgegeben ist man ja auch gleich zu Gehorsam verpflichtet. Und da man mit etwas zu wenig Entwicklung sein SOLL weiter in Formen der Pflichterfüllung anerzogen bekommen hat, leistet man gerne übers Mass hinaus. So schreibt man dann im Werteraster von 'Kackdreist' an KIK, dass man das schwarze Modell zu Kotzen findet. Man möchte sich hervortun. Man versteht sich ja in einem Lager der Lautstarken. Endlich scheint eine neue Freiheit da, die einem los lässt.

Das Vorschnelle, das Ungute, das Verlustige aber an der Sache ist, dass man sich überhaupt wo hinzu erklärt .. WEM FOLGT. Wem zu folgen ist dann gleich eine Unterstellung, eine 'Soumission', wie es Houellebeqc nennt, eine Subordination. Aber was habe ich gewonnen, wenn ich mich unterstelle?

Und was habe ich damit auch gleich abgegeben, wenn ich mich wo eintragen lasse, als Zu'Gehörig'e/r?

Als Georg W. Bush die 'Achse des Bösen' erklärte, klärte er gleichzu, wer denn zu den 'Guten' gehören würde. Wenn Bayern zu den Guten gehört, ist es klar, dass man Leipzig "hassen muss".

Und so geht folgendes verloren:

Wäre früher Bayern, der BvB, Lepzig und alle Manschaften als Mitspieler, als Mitbewerber verstanden geblieben, so könnten alle noch gegeneinander spielen. Aber da nun nur noch die 'Richtigen' zählen und nur die 'Guten' - selbst proklamiert - sind die anderen zu hassen, zu killen, zu vernichten und zu beschädigen. Zu verunglimpfen, was geht.

So muss Merkel weg, die Globalisierung weg, Fremde weg, alles muss weg. Und wie schon geschrieben, unter dem Schutz der selbsterklärten 'Rechtheit' ist der Wert 'Kackdreist' eine Vorzeigewert, eine Hommage an die Gemeinschaft. Doch dieses Erscheinen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass 'Kackdreistigkeit' nicht mehr wird bzw. bleib als 'Kackdreistigkeit' - egal mit welchen Vorzügen im Moment.

So verstehe das bitte niemand als Fortschritt oder Aufstieg? Nein, beileibe nicht. Das ist und bleibt ein Abstieg, ein verlorenes Spiel ohne Punkte.

Dass ist der Verlust und Verrat am Menschsein, ein letztes Aufflackern vor dem Erlöschen, sich für ein Lager zu entscheiden, weil man selber nicht in der Lage ist, das Offene auszuhalten. Es ist ein Zeugnis miesester Selbstverfassung, Zustand unfähigen Ichs. Und ich würde dem nicht einmal sagen 'zu dumm' - nö, nur zu faul und Schisserig allemal,

Alle zu Tode Geschlagenen, alle Verbrannte und Verbannte - sie werden euch kein Zeugnis als Sieger ausstellen. Nie und in keiner Weise. Siegen wird weiter eine Freiheit und deren Geist, die einem Ablassen von einem Beitritt zu Irgendwem. Siegen wird jene Kräftigkeit der Stark-Genugen

Es ist eine harte Aufgabe, unabhängig und frei zu bleiben. Es auszuhalten, mitzutragen, zu bedenken. Wenn Sie sich heute noch entscheiden, darin aufzugeben, ... Aufgeben ist schon immer ein Verlieren gewesen. Und 'kackdreist' ist es dann, sich dafür 'siegend' zu erklären.

Manchmal ist es härter, wovon die Finger zu lassen.

Jona Jakob

Samstag, 19. November 2016

Mir geht viel Blattwerk schlicht zu weit ...

Ich wohnte an bald mehr als 45 Adressen. Untermiete, Souterrain, mit Gartensitzplatz, mit Terrasse, in den Stockwerken, in einem Haus mit grossem Garten, in Wohnwagen und Zelten, bei Freunden, in Baumhütten und unterm freien Himmel.

Aktuell suchen meine Liebste und ich ein neues Zuhause, etwas grösser, etwas etablierter. Wir hatten tolle erste fünf Jahre und freuen uns auf die nächste Zeit. Wir sind beide 50+, unsere Hündin Phibi kommt noch dazu.

Wir haben also schon einige Projekte gesucht, besucht und angeschaut. In selber Zeit leben wir ja noch in dem Wohnblock in Neu-Isenburg. Und da stösst mir hoch, da mich das Thema schon immer umtrieb ...

... mir rücken überbordende Gärten, Büsche, Bäume und Zweige zu Leibe. Ich kann damit nicht.

Weite ist so eine Qualität ... / Bild (c) Jona Jakob, privat
Ich kann es nicht haben, wenn Büsche in den gepflasterten Weg reinwachsen, über den ich ums Haus herum muss. Ich trage Mantel, Taschen, noch ne Tasche, Gepäck, habe den Hund an der Leine, die Hände voll ... und dann ragt Astwerk und Blattzeug mir in den Weg, ob auf Fusshöhe, an der Taille oder übelst auf Gesichthöhe. Ich mag von dem Zeug weder nass werden, noch mich dem langstreifen.

Wenn Büsche, besonders dieser fette Lorbeer, jedes Jahr 30 - 40 cm in die Potenz schiessen, dreidimensional an Volumen zunehmen, schnürt mir das Leben ab. Ich möchte etwas sehen, ich möchte mich nicht hinter einem Busch erschrecken, ich möchte weit schauen können, freie Sicht als Wohltat für meine Augen und mein Gesamtgefühl.

Was gehen mir bei Kauf- oder Mietobjekten Bäume auf den Nerv, die jede Dimension überschritten haben, die den Rasen darunter ersticken, Moos wachsen lassen, Dinge eingrünen und im Herbst alles völlern, bis das Wasser hoch steht. Schatten, keine Sonne, Licht fehlt, welches mich stärken sollte. Am liebsten stehen solche Ungetüme in des Nachbarn Garten, wo ich eh nichts mehr ausrichten kann. Zudem sind die meisten Bäume nicht einfach so umzulegen, aus juristischen Gründen schon nicht. Aber es bleibt schattig, feucht, düster.

Wenn ich, wie jetzt, Wohnobjekte beschaue, lass ich mich keinesfalls von der Blattlosigkeit des späten Herbstes täuschen. Ich sehe genau, was da im Frühsommer an Sicht versperrt sein wird, was zu räumen und wegzukarren ist. Wie viele Säcke und Körbe Laub und Nadeln solche Ungetüme darstellen.

Jaspers äusserte sich einst, er könne nicht mit Nietsches Alpen, ihm sage die offene Weite des Watt zu - sie versperre ihm nicht die Sicht auf die Dinge.

Genau deswegen wohne ich in Rhein-Main. Da ist es flach. Und daher soll es mir auch offen bleiben und nicht erstickend unter Grün, das man mE mit einer falsch verstandenen Liebe machen lässt, was es will. Denn die schönsten Gärten 'zeigen' sich mir, auf dass ich was von ihnen sehe. Nicht dass sie dir die Sicht und das Licht nehmen.

Daher also: Das feuchte Zeug mit seinen Altweiberspinnenfäden, seinen Schnecken und seinem Anspruch an Raum - es nimmt mir etwas, was ich aber brauche. Bisweilen habe ich dann eine Gartenschere im Auto und einen schnellen wie stillen terroristischen Moment.

Weil der Weg, den ich mitgemietet habe, für mich einen virtuellen Korridor darstellt, der nicht für Wildwuchs gedacht ist, sondern für meine Freiheit.

Bestimmt: nach Riemann-Thomann liegt mein Hauptfeld zwischen Wechsel und Distanz. Grün also gerne, aber geziemt. Ich mag weder von Hunden dominiert werden, noch von ausschiessender Natur.

Herzlich
Jona Jakob

Sonntag, 13. November 2016

Ankunft bei Erfolg II

Manchmal, wenn ich ein Ziel erreiche, so wie man einen Gipfel erreicht, raubt mir die Erschöpfung jedes Gefühl für den Erfolg. Noch am frühen Morgen, wenige Stunden zuvor, freue ich mich schon auf klein-wenig siegenden Taumel und etwas Genuss - doch nach Ankunft, nach Niederlegung, nach Verabschiedung und etwas privatem Rückzug breitet sich eher Leere aus bis hin zur Taubheit. Ich weiss dann nicht, selbst wenn von Aussen gefragt, ob ich was essen möchte. Ein Glas Festliches oder eine Zigarre schmecken nicht wirklich. Was mich gestern tragend rettete, war das häusliche Sofa, ein Lieferheld und eine Decke.

Bild (c) Selfie von Jona Jakob

Das Gemurmel um mich, vom Service bis zu anderen Gästen erreicht mich  gedämpft, meine Hand, die in der Gruppe ein Sektglas hält, vermag nicht. Vielmehr, wer auf mich blicken würde, sähe, dass ich daherkomme wie etwas, das ein Hund zu lange in der Schnauze hatte. Meist leitet mich dann meine Liebste, fährt und nährt, bis ich schlafe. Und wenn ich schlafe, dann sind es gerne Nächte, wo ich in abstrusen Haltungen aufwache, in denen ich einschlief, als ich nochmals auf den Computer schauen wollte.


Morgens, morgens will ich erst einmal von niemandem was wissen. - Irgendwann geht es dann wieder. Dass ich abends zuvor so noch gestrahlt haben soll, feixte oder Fotos machte und ein Lächeln im Gesicht hatte - keine Ahnung ...

Gestern. Etwas erreicht.

Jona Jakob - Frankfurt.

Donnerstag, 22. September 2016

Momente, wenn ich mich nach langer Navigation worin wiederfinde, was mir meine Position bestätigt

Gestern ergab sich ein Moment während eines Dokumentarvideos:

Yalom's Cure
Eine Anleitung zum Glücklichsein: Irvin D. Yalom gilt als der einflussreichste Psychotherapeut der USA. Kritiker beschreiben den 80-jährigen Bestsellerautor als inspirierend, fesselnd und lebensverändernd. 


In einem Interview von 2009 gab ich auf eine Frage folgende Antwort:

Lebensschulen - Was prägt mich?

U.a. die Philosophie des Existenzialismus

Da ist zum einen die Erziehung durch meine existenzialistisch orientierten Eltern. Besonders mein Vater prägte mich in dieser nackig-machenden Denkform und kritisch distanzierten Haltung, die von vielen Menschen eher 'negativ bzw. unangenehm' empfunden wird. Ich schätze heute das Blanke und Franke, auch wenn es anstrengend ist. Wo sonst sollte Veränderung und Entwicklung beginnen, wenn nicht am unbeschönigten Grund der Dinge? - Jona Jakob, 2009

Und jetzt höre ich Irvin D. Yaloms Worte in der Filmdokumentation, wo er sagt:


"Mein therapeutischer Ansatz ist mit den Worten Thomas Hardys folgender: 

Wenn es einen Weg zum Besseren geben soll, 
erfordert das einen umfassenden Blick auf das Schlimmste." 

- Irvin d. Yalom, zum 80. Geburtstag

Alle reden beim Wort 'Navigation' vom 'Ankommen' und 'Erreichen'. Dabei sollte in kristallklarer Weise vom Ausgangspunkt, vom Start, vom Ausgangshafen Bescheid gewusst werden. Dieser Messpunkt des Starts ist entscheidend, ob man dann am gewünschten Ziel ankommt. Und viel wichtiger, als dass Ihnen das als Leserin oder Leser nun "gefällt", ist, dass Ihnen das KLAR wird.

Coaching hat mE diese Klarheit und Ausgangsposition am Grund zu klären, damit man von-dort-aus'gehen-kann, anzukommen. Das ist keine Therapie, sondern geklärte Selbstkompetenz. Klar vor Augen haben, was man vermag. Und was allenfalls nicht. Wo die eigenen Grenzen und Fahrwasser liegen. So bleibt man auf Kurs und wirkt solide.

Ich danke an dieser Stelle meinem Vater, der mich stets auf den Beginn einforderte, nicht auf Ankommen - weil es beim Ankommen zur Sache nichts mehr zu sagen gab. Er sagte: "Darauf kommt es nicht an ..." - das muss man erst einmal gehört und dann noch verstanden haben.

Klaus, danke.

Jona Jakob
www.jonajakob.com

Sonntag, 18. September 2016

Kleines Gedeck

Ich bin gottefroh, ist das erste regnerische Herbstwochenende. Hat dieses Jahr gedauert und schenkte mir einen spätsommerlichen Geburtstag mit vielen Gästen, wie ich es nicht gewohnt bin. Es mag wem komisch vorkommen, aber ein Sonntag mit vielen Gästen, dafür brauche ich viele Tage, das alles in mir einzubetten, abzufühlen, zu sehen und nachklingen zu lassen. Ohne nun damit das Thema zu verlassen, aber meine Hochsensibilität erzeugt bei mir schon Macken - schöne wie zerschleissende. Als wir von dem Essen mit dem grossen Tisch am Sonntag heimkehrten, öffnete ich verschiedene Geschenke nicht. Tagelang nicht. Ich kann nicht. Ich kann eine gewisse Anzahl Gesten, Blicke, Hände und eben deren Geschenke an einem Tag verkraften, gerade weil sie mich sehr glücklich machen. Aber dann will ich aufhören, weil ein weiteres Geschenk nicht mit selber Kraft noch wahrgenommen werden könnte. Funzt so wie bei guten Fotokameras, wo der Blitz nach dem Shot so steigend summt und erst, wenn das Summen erlöscht, ist der Blitz wieder ready. Manchmal bin ich dann fertig. Und so öffne ich Geschenke erst dann weiter, wenn ich für mich meine, neue gebührende Präsenz, Kraft, Liebe und Aufmerksamkeit zu haben, dafür, was man mir entgegenbringt. Klingt jetzt unschön, ich finde es aber eben gebührend. Oder anders gesagt: Ich bin manchmal emotional überfüllt, wie ein voller Kühlschrank, und muss dann erst etwas Platz gewinnen, um Neues aufzunehmen. 

Heute, eine Woche später geniesse ich eine bunte Tüte ganz besonders. Es ist noch Sonntag früh, wir waren schon mit Phibi, kauften Brötchen, genossen Frühstück und sind wieder unter die Decke geschloffen. Ich nehme die Tüte aus meiner Gabenecke, wo auch Likör steht, Bücher, ein selber gemaltes Bild, Wein und Süsszeug. Ich verkrümel mich damit aufs Sofa. Ich lese die liebevolle Karte meiner Liebsten und sehe, dass ich eine Hand voll Badezusätze geschenkt erhielt: Glück, Liebe, Harmonie, Energy, etc. - ich liebe ja Bäder. 


Bild (c) Jona Jakob, privat.

Es ist Herbst, wenn ich mir sonntags so ein 'kleines Gedeck' einrichte. Ich habe dann meine Lieblingsutensilien da: einen Schreibblock, den Tintenschreiber, Brille, Döschen und weiteres. Das Buchgeschenk im bunten Beutel 'Die zwölf Gesetze der Macht - Angela Merkels Erfolgsgeheimnisse' ... ich hatte mir das gewünscht, weil ich in Twitter darauf aufmerksam wurde. Mein Notebook ist ohnehin immer dabei, egal wo. 

Aber was ich schreiben will, weil mich eine unbekannte Seele aufreibt und innerlich beschäftigt. Was ich da tue, ist form eines Selbstgespräches um nicht verrückt zu werden. Ich lese nicht aus Neugier. Ich lese, um mich zu beschäftigen, eine fortdauernde Selbst-Auseinandersetzung, um nicht einer Sinnlosigkeit zu verfallen, die mich krank machen würde. Ebenso in diesen Tagen sandte mir Georg Parlow ein Buch aus den seinen, einen Gedichtband, in dem auf den ersten Seiten zwei Sätze von Handke stehen: "Schreiben. Das unendliche Schweigen." Genau, so geht es mir. All das Zeug, was ich so pro Woche abdrücke, niederschmetter, in die Tasten bringe und aus meinen Fingern fliessen lasse, ist irgendwie ein Selbstgespräch. Woher sollte ich sonst Stoff kriegen? Manchmal, an langweiligen Tagen, schaue ich über 10 x online in die FAZ. Dann gibt es am selben Tag keine neuen Beiträge mehr, nix, das mich nährt, und dann habe ich das Gefühl, die Welt drehe sich langsamer. Es sei einfach nichts los. Handke ist es übrigens, der - neben dem oben neu gewonnenen - einen meiner wichtigsten Sätze im Leben formuliert hat: "In der Traurigkeit das Bedürfnis, schön angezogen zu sein." Ein Abgrund - eine massive Aufgabe, den Satz auszuloten. Echter Kauknochen. Auf dem subtextlichen dieses Satzes liessen sich tagelange Workshops erarbeiten. 

Diese unbekannte Seele, die mich umtreibt, sie zeigt sich mir wie eine Spinne, die sich im eigenen Netz verheddert hat. Nicht so übel aber auch nicht mehr wirklich freigängig. Es geht ums Denken und ums Schreiben und ums sich-Einordnen, bis man niemand mehr ist. Ich kenne das. Und ich wehre mich auf andere krüpplige Weisen dagegen. Fremdbeschränkt. Da helfe ich mir selber. Schön diese Woche, dass mich überraschender Weise vier kluge Köpfe angefragt haben, verknüpft zu sein. Die haben nämlich auch Hunger nach Stoff, Denken, Querem, neuen Sichten und die mögen auch eine gewisse gewagte Klarheit. Selbst im Zweifel oder im Scheitern kann man nämlich klar sein. Man ist dann sozusagen 'abgeklärt'. Aber eben ...

Herbst. Die Melancholie hervor. Andere Musik. Zu wechselnde Worte. Ich hab sogar die 'Americana' hervorgekramt, diesen Schrotthaufen. Und so lese ich an den Rändern von Phaszinosen fremde Ansichten zu Angela Merkel, lese Musil, lese Schirrmacher, lese Cioran, lese unzählige Male x'welche Onlineformate, von BILD bis NZZ. Ab und zu rauche ich eine Cigarre; auch das geht im Herbst besser. Die Luft dazu ist frischer. 

Wenn man durch seinen Geist in eine hohe Sensibilität gezwungen ist - oder wenn eine hohe Sensibilität einem all die Denkerei aufkniet, darf man sich nicht anpassen. Das macht einen krank. Das wäre der falsche Weg. Wenn Wahrnehmung oder Geist potentieren, muss man dem Futter geben. Man muss es spielen lassen, austoben und 'sparkeln', wie mal jemand sagte. Denn nur "so" wird es einem - wegen des Ausgleichs - noch möglich, das Simple, das Banale, all das zu erfüllen und zu erledigen, was einem nicht gut tut. Es sei an dieser Stelle weder abgewertet noch verurteilt, das Simple und Banale, es ist aber für einen sensiblen Geist oder einen geistig Sensiblen so, dass auch Arbeit, Texte, Dialoge und zu Erledigendes wie bei einer Diskussion zwischen Nahrungs- und Lebensmitteln, es sowas gibt, wie 'Junk Food' - Junk Food für mein Wesen, welches sich dann rettet durch eine eigene Küche, wo ich die Zutaten, die Zubereitung, die Reinheit und Klarheit für mich bewahre, bevor mir der Müll und Trash von z.B. Fernsehen meinen Leib vergiftet. Ein einziger Satz von Handke rettet mich für Wochen: "Schreiben. Das unendliche Schweigen.". Von solcher Substanz kann ich leben.

Dass mir meine Liebste einen Tisch mit vielen Leuten, Musik, Bäder und ein Buch schenkt, ist besonders darin zu erkennen, dass sie mich sieht und kennt und mich machen lässt. Sie gewährt mir diesen Raum, in dem ich wüten können muss, ansonsten ich eingehe wie ein verfilztes Tier an einer Kette. Daher auch mein immer dabei seiendes NOTE'book. 

Wann immer mich in den letzten Jahren etwas tiefer umtrieb, waren es Seelenverwandte, ähnliche oder gleiche bzw. bekannte Formen von Abgrund, Schmerz, Leiden und Aushalten. Sein unter Umständen. Und all dessen Abformen, krüpplig, verzogen, nicht wirklich leicht oder unbetroffen. Das Schöne, .. das Schöne ist für mich nichts, was ich im Auge erkenne. Das Schöne ist ein Gefühl von Dasein, Kunst zu scheinen, so dass es anzüglich wirkt. Anzüglich subtextlich. Anzüglich driftend. Anzüglich ringend darum, im Leben gelebt zu haben, nie wirklich wissend, was das genau sein könnte. Am Abgrund - mal mehr, mal weniger. Unerfasst. Fragil. Membran. Partikular. 

Das Bild oben, das ist mir ein toll gedeckter Tisch. Mal mit einem Glas, mal mit Raucherwaren, in ganz guten Momenten im Gespräch - sonst besser im Schweigen. 

Cheers - auf die Lust, herbstlich traurig zu sein.

Jona Jakob



Freitag, 16. September 2016

Unvermögendes Tragen

Mit jedem auf selber Spur des positiven Denkens, werden die Beiträge von ähnlicher oder gleicher Aussage und Hinweis. - Das Auge fürs Schlechte, Arge, Gefährliche wird blind. Zuletzt fehlt, dass uns fürs Unangenehme die Sprache ausgeht. Nicht, dass uns hierfür die Worte fehlen würden. Es wird vielmehr eine verschämte Unfähigkeit sein, dem Negativ eine stabile Haltung zu zeigen und ein vermögendes Tragen.

Jona Jakob - 2016

Dienstag, 13. September 2016

Michael fragte mich zum Geburtstag ...

Lieber Michael

Danke - ich liebe es, gefragt zu werden, das hat so viel Nähe und Bezug zueinander. Ein Geschenk, gefragt zu werden - ich will mich daran versuchen.

  • Wer hätte gedacht, dass 54 Jahre nach Deiner Geburt Du in Neu-Isenburg lebst statt in der Schweiz, Deiner Heimat? 

Warum sollten erste 52 Lebensjahre zu etwas werden, das man als 'Heimat' für sich gelten lassen würde? Setzt man das wegen dem 'Gebürtigen' einfach voraus? Oder muss man da vorsichtiger, weitblickender sein? Ich wurde in über 50 Jahren nie Schweizer. Ich kann dir das nicht erklären, aber dieser Heimatgedanke in Bezug auf die Schweiz, den spüre ich nicht und hier immer weniger. Ich werde auf dem warmen, trockenen Sandboden von Rhein-Main sterben und meine Ruhe finden. Und man darf dabei nicht Gedanken haben, etwas missfalle mir zur Schweiz, nein. Aber vielleicht habe ich von hier aus die viel bessere Distanz zu ihr und auch die für mich optimalere Nähe zum Boden und dem Wesen an Menschen, wo ich jetzt lebe. Dabei ist zu beachten: Mein Wesen zog es stets dort hin, von Bern nach Zürich und erstaunlicherweise von Zürich nach Frankfurt, wo es mich mehr forderte. Der Raum muss mich fordern. Hier lebte Goethe, hier gibt es die FAZ und die Frankfurter Schule. Hier gibt es eine Türe zur globalen Welt - gut, die gibt es in Zürich auch. Und mich würde weder Berlin noch London reizen. Wenn noch weiter, dann vermutlich nach Beirut oder Constanza. Es muss schwieriger sein, nicht aufregender. Und schön. Rhein-Main ist für mich wirklich guter Boden, den ich jeden Tag empfinde. Wärmer, trockener, offen, flach, weit. Ich zog nicht fort, ich zog hin.


  • Was würdest Du anders als jetzt machen, wenn Du wüsstest, dass Du weitere 54 Jahre zu leben hättest? 

Hihi ... als wüsstest du, wann für mich fertig ist. *lach* Dabei haben wir getrost so angestossen: "Auf nochmals 54 Jahre.* Und keiner fand das sooo unmöglich. Die Frage hier ebenfalls: Warum "anders machen"? Der Frage inhärent wäre eine Art Ressentiment aus dem eigenen Leben, als wäre was falsch gelaufen. Nö. Es lief tatsächlich ne Menge Scheiss - aber ob der falsch war? Nein, die Frage ist viel mehr so zu stellen: WAS machst du mit nochmals 54 Jahren? Was ist dein Beitrag? Wie wird dein Wirken? Was schonst du? Was verbrauchst du? Was bezweckst du damit? Was haben die anderen davon? Kurz: Was machst du mit den kommenden 54 Jahren? Mein Plan ist für die nächsten 30 Jahre, Individuation zu ermöglichen, ob hier im Antwortgeben auf deine Fragen, ob im Niederschreiben meiner Antworten für andere Lesende. Was von mir ausgeht möge möglichst viel für andere sein, damit die sich selber werden. Ich habe dazu keinen Auftrag noch eine Mission. Es ist ein Entscheid und Vertrag mit mir selber, so zu leben. Und wer dann für sich entschieden hat, zu mögen, der weiss und spürt selber, ob er vom Meinen etwas brauchen und nutzen kann und mag. Und in ca. 20 bis 30 Jahren schau ich nochmal, was dann Sinn macht.

  • Was wäre anders, wenn Du wüsstest, dass es nur noch 54 Tage wären? 

Ich weiss seit meinem tiefsten Tief meiner Lebenskrise, ein Tag im Jahr 2005, dass es keinen Tag mehr dauern kann, um tot zu sein. Jeder Zufall kann mich raffen. An dem Tag fragte ich mich, ob ich noch leben mag oder nicht. Und die Antwort war nicht unbedingt: Ja, ich will leben. Das genügte mir nicht. Das fand ich eine ziemlich aussagelose Antwort. Denn die Antwort machte für mich keinen Sinn, so lange ich ihr nicht die Kondition zustellte: Ja, aber wenn ich leben will, dann nur, wenn ich gut leben will. Was immer 'gut leben' für mich bedeutet. Seither lebe ich gut. Klar, dieses 'gut' wurde von dem Tiefpunkt an auch immer besser und wie gesagt, ich feierte einen wunderbaren Geburtstag. Aber mit diesem Bewusstsein lebe ich auch "gekündigt". Ich setze seit dem Tag im Jahr 2005 nicht voraus, zu leben. Ich lebe im Zustand eines Mitarbeiters, der gekündigt hat, das Unternehmen im Guten verlassen will, aber noch in Leichtigkeit seine zwei Monate Kündigungszeit korrekt und zugewandt leistet. Es gibt dann ein Abschlussfest und ein feines ernsthaftes und ehrenvolles Abschlusszeugnis. Alles ist gut. Ich hätte in mir also keine Not, wenn es nur noch 54 Tage wären. Daher erübrigt sich die Frage nach einem Zeitpunkt eines letzten Tages ob in 54 Tagen oder 54 Jahren. Spürst du, dass diese Orientierung kein Fatalismus ist, sondern meine Fröhlichkeit? Ich liebe meinen Schnitt.

Was genau mich nährt, lässt sich nicht kaufen oder mit einer Liste abhaken. Ich verstand mich am Sonntag im Gespräch, ich verstand mich am Samstag in einem weiteren Satz von Handke. Ich verstand mich am Sonntag in den Worten einer Dankeskarte zu einem gemalten Bild. Ich verstand mich abends im Intellektuellen des Polizeiruf 110 mit Brandt und Auer. Das Geistige ist geistig. Es kann nicht gelebt werden. Man kann aber einfach vor sich hin leben und dabei das Geistige sammeln. Als Happen. Sinn'volle Amuse-bouches.

Danke, dass du gefragt hast.

In Freundschaft zum Leben

Jona

Montag, 12. September 2016

Warum das Können, als Unfähig zu gelten, die Welt übernehmen wird ... worauf also den Fokus halten?

Wichtiger, als die Aufmerksamkeit bei der AfD zu haben, wäre es, all denen zu folgen bis hin zum Einzelen, die einst die Piraten aufpoppen liessen. Deren spezifische Unfähigkeit zum Gehorsam, zur Organisation, zur Gruppe und Administration, zur Konformität und irgend einem Plan, auch Unfähigkeit zum Kapital, ... DAS wird das NEUE.

Wenn das Laben am Reaktionären schier zur DNA des Selbstverständnisses zählt, sollte man dabei nicht die reale Tatsache aus den Augen verlieren, dass genau diese Blindheit zwei Mal zum verlorenen Krieg in Terra Incognita führte.

Hündisch mit Armeen am kalten Winter der Ferne zu kollabieren und einzuknicken, ist von selber Ignoranz und Debakel, wie mit nun veralteten Strukturen der Wirtschaft gegen die Diffusion und die Digitalisierung anzulaufen.

Keiner dieser völlig losgelösten Piraten wird sich einen Deut um die Aufstellung einer reaktionären Organisation und Gesellschaft kümmern, weil alleine er und sein Anschluss ans Internet ihm reicht, die Welt aus den Angeln zu heben. Egal, aus welchem elterlichen Kinderzimmer, egal wie gross das Ding, dass er einstürzen sehen will.

Die Diffusion und Digitalisierung, das sind immer noch Menschen, meist Einzelpersonen oder kleine Trupps, tätowiert, ungewaschen, miefend und schlecht ernährt. Sie pflegen Beziehungen zu ihren Hunden, Ratten und Turnschuhen. Sie sitzen hinter drei bis sechs Tastaturen und wollen nur spielen. Sie lieben es, als Underdogs viral zu wirken. Und lachen über jeden Schnösel, der sich nen Anzug anzieht und in die Vergangenheit eines Unternehmens geht, um dort nach geregelten Zeiten zu arbeiten.

Der ganze Parteibetrieb ist retro. Technik wird die neue Politik. Denn gerade an all die lieben XING-Leserinnen und Leser, Poster und Beschwörer ... Sie alleine schreiben nun seit 2 Jahren vom Wort 'Agil' - das ist aber nicht das verharrend Statische reaktionären Reagierens, wie es in einer AfD und anderen alten Parteien manifest wird. 'Agility', das sind Systeme und Entwicklungen, dynamische Prozesse, die wir nicht wirklich kontrollieren. Noch nicht. Vielleicht ist der Paradigmawechsel eben jener, dass diese uns kontrollieren werden, diese Techniken ... und wir, wir jammern und zetern nach der "guten alten Zeit", nach so etwas Ominösem wie 'Kontrolle'. So lange wir Kontrolle nötig haben steht jeder von uns auf verlorenem Posten.

"No chance," sag ich mal. Warum?

Die anderen haben das Motto: "No Fear"

Klingt selbstbewusster und massloser ... irgendwie.

Jona Jakob

Sonntag, 21. August 2016

Als Kind wollte ich Indianer werden - oder Spion. Warum ich gut hören kann.

Was ich nun schreibe kann Fantasie sein. Meine Fantasie. Doch gestern Nacht meinte ich eine Wahrnehmung gehabt zu haben, die sich zu einem Gedanken festigte und irgendwie lässt mich dieser Gedanke in seiner Resonanz nicht los.

Ich hörte mein Leben lang gut. Auch sind meine anderen vier Sinne überaus hervorragend, also ich habe grosse Ahnung von Geschmäckern, von Haptik, ich sehe gut und habe eine feine Nase. Aber das mit dem Hören, das nahm ich bisher so hin. [Hinweis: achtet euch auf "Selbstverständlichkeiten", die ihr eure Lebzeit konntet - vielleicht sind es Künste, Ihr aber habt euch daran gewöhnt und findet es normal.]

Als Bub schon konnte ich hören, ob eine Langspielplatte besser oder magerer vertont oder produziert wurde. Ich hörte schlechte Mikrophone und ganz besonders jedes einzelne Klangbild aus der Kombination von Tonquelle, Raum und Lautsprecher. Ein Graus, als die MP3-Dateien aufkamen. Ein Hochgenuss, im Klang drin zu sitzen, ob in einem Naturtonwandler oder im Klang eines Orchesters.

Bild (c): Jona Jakob, privat

Ich würde meinen, in den letzten 50 Jahren sind alle Erlebnisse in Sachen Sinne verflacht, verdünnt, ausgewaschen und zum Teil leer geworden. Das raubt mir einen Teil meiner Lebensfreude, wäre ich doch, wie teure Lautsprecher, fähig noch zu leben, was möglich ist. Aber so kochen wir instant und haben von wirklichem Geschmack kaum Ahnung mehr. Letzthin nahm mich wer in einem offenen VW-Käfer-Cabrio mit, einem alten Käfer. DAS war so ein ganzes Erleben, von Enge, Blech, Klapprigkeit, alten Bezügen, Motor- und Öldüfte.

Zurück zum Hören. Ich war gestern für 1,5 Stunden in einer Dokumentation über ein deutsches Blechblasorchester gefangen, weil ich nur noch hören wollte:

ARD-Mediathek: http://www.ardmediathek.de/tv/Blechnarrisch/Blechnarrisch/ARD-alpha/Video?bcastId=37192968&documentId=37246954

Weil mir das Hören wichtig war, setzte ich mich korrekt in die Akustik unserer TV-Soundanlage. Ich arbeitete. Ich tauchte ein, wie ein Taucher an einem Riff. Die Klänge, die Menschen, das Gesprochene, die Instrumente ... ich tauchte auch in den Bildern in Klänge ein. Ungefähr so, als würde ein Taucher eine Symphonie wie warmen Fonduekäse oder eine Hühner-Nudelsuppe geschmacklich erleben. Hören, als wäre man in einem dieser Unterwasser-Glastunnel in einem Ozeanum. Es mantelt mich und alle meine Sinne ein - und weckt dadurch meine Intuition.

Obwohl ich die komplexe Komposition nicht kannte, konnte ich mitsummen, mit den Händen dirigieren, ob es nun gleich nach oben, nach unten, in einen Abbruch ging, ein leises Ausschweben. Ich flog mit. Ich trieb im Sound. Ich verwob das Erlebnis zur Symbiose. Ich verschmolz und sass fuchtelnd und bewegt mit klarem Kopf und offenem Geist wie ein Riesenhai mit offenem Maul in der See treibend, Plankton membrierend, feinst. Alles floss wie in warmer Butter. Ich war nicht wirklich zu spät sondern lag im Mitgehen eine halbe Sekunde vor den Tönen.

Als die TV-Sendung fertig war, ging mein Geist in mir der Frage nochmals nach, warum ich allenfalls so fähig bin, seit Kindheit, seit ersten Schulklassen in und unter den Tönen zu wandeln?

Und nun meine Antwort:

Weil ich leise sein musste. Leise in allem. Das fing unten an der Haustüre an.
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Wenn du leise sein musst, so mein Gedanke, musst du von jeder Möglichkeit, von jeder Bewegung, Material, Berührung, Kontakt, Veränderung, Werkzeug, Gerät, Scharnier, Möbel, Boden, Türen, Fenstern, Töpfen, Geschirr, Gläsern, Menschen, Quellen, Rohren, .... einfach ALLEM wissen, wie es klingt. Du musst wissen, wie es klingt. Du musst genau hinhören und es präzise gestuft und skaliert erfassen, was es akustisch verursacht, wenn es in Bewegung oder Berührung kommt. Ein Schnitt mit einer Schere. Eine Brotscheibe auf der Küchenablage geschnitten oder in der Hand. Papiertüten aufreissen oder auffalten. Besteck ins Spülbecken fallen lassen oder es einzeln geräuschlos legen. Über Parkettböden jonglieren, wie in einem Bachbett, damit Dielen nicht knarzen. Nichts aufdeppern lassen, alles feinst aufsetzen. Nichts ruckartig bewegen, sondern langsam, feinst, geräuschlos. Ich weiss heute noch bewusst, ob du mich atmen hörst oder wie ich atmen kann, ohne dass du dieses feine Rauschen vernimmst. Leise kauen. Durch die Unendlichkeit schleichen wie ein Indianer.

Ich musste in der Schulzeit leise sein, weil meine Mutter als Nachtschwester arbeitete und von da an, wo wir in die Schule gingen, versuchte  zu schlafen. Schreckte sie tagsüber auf, war fertig mit Schlaf und sie allenfalls schlecht drauf.

Meine Buben-Berufsträume waren:
- einsamer Indianer, der als Scout oder Späher durch Wälder schleicht und Spuren liest ... oder
- einsamer Spion, der auf leisen Sohlen die Welt verändert

Noch heute ist eine meiner zentralen Strategien, ne Menge Wirbel zu verursachen, damit niemand erkennt, was ich leise und ohne jeden Ton noch Zeichen angehe. Ne Macke feinster Art.

Ich konnte in der lautesten Disco Zeug wahrnehmen und treffsicher deuten, was andere lieber verheimlicht hätten.

Ich liebe noch heute das Nichts. Vom Nichts habe ich massiv Ahnung. So liebe ich Bilder mit Fragmenten und deren leeren Dazwischenräumen. Zum Spiel von Maceo Parker schrieb mal wer: "Es ist weniger wichtig, was er spielt - viel mehr zählt, was er nicht spielt." Ich bin extrem starkt darin zu erkennen, was jemand nicht sagt, nicht zeigt, nicht schreibt oder was man mir vorenthalten möchte. Woanders las ich, dass es um diesen Bruchteil von Zeit gehe, in welchem das Orchester absetzt und das Publikum anfängt zu applaudieren. Ich liebe das Dazwischen. Ich vermag dort zu sein. Ich kann dort.

Und obwohl mir alle fünf Sinne helfen und ein massives Ortungsvermögen als meine Intuition mich mit einem sechsten Sinn unterstützt, ist es dieses höchst komplex verdichtete Hören, welches  mir in Gesprächen mit Klienten die Fähigkeit schenkt, Dinge auszuloten, noch während der andere Mensch / Klient nicht zu ende gesprochen hat, gleichzeitig aussenvor zu bleiben, der nicht-direktiven Zentrierung wegen, aber ich kann keinen Einlass in die Tonhalle kriegen und mit dem wage Vernommenen den Rest ins Ganz konstruieren. Ich kann wen ganz und gar hören.

Und da das Gesprochene, das Intonierte nicht alles ist, was mir wer vermittelt, vermag ich wie ein beobachtender Hund jede kleinste nonverbale Regung von einem anderen Menschen intonieren. Egal wie du dich gibst und regst, ich 'höre' deinen ganzen Anteil an Non-Verbalem bis hin zu Verfärbungen deiner Haut, deiner Augenringe, deiner Sitzhaltung und all den tausenden von Veränderungen, die du mir in Stunden zeigst. Ich höre dich noch im anderen Raum. Ich höre, wie du mit Dingen umgehst. Ich höre alles Fühlbare. Ob es klingt oder nicht. Und auch: ich weiss dabei um jede Rhythmik, Kadenz, Zu- und Abnahme von Zeichen, Weggelassenem, Täuschenden, Maskierendem.

Und wenn das alles gehen und stimmen soll, dann habe ich eben auch eine feste Ordnung zwischen den Dingen. Als wüsste ich präzise, mit welchem Abstand Häuser zueinander stünden. Ich kenne die Abstände, die Dünnheit, die Qualität von Offenheit oder Dichte, von Leichtigkeit oder Druck, von Hell und Dunkel. Ich vermag mich im Nichts zu orten. Ich kann im Dunkeln einen Koffer packen oder Nachtwandern. Ich höre auch jeden Hinweis, den mir Autorinnen und Autoren zwischen den Zeilen, subtextlich, vermitteln. Spiel mir das Lied vom Tod schaue ich mehr im Dazwischen der Begegnungen. Im Gesicht von Lino Ventura den Plot des Krimis erkennen. Ich hörte mit acht Jahren vergnügt Emerson, Lake & Palmer. Ich höre in autofreier Nacht jedes Feinstes, wenn ich mit dem Hund gehe. Mein Rücken hört mit. Meine Nackenhaare.

Und in diesem Vermögen, Hören als einen Tauchgang in warmem Öl zu erleben, fliessend, umspült, koordinatenlos, höre ich aus deinen Worten immer wieder, was dich dann selber erstaunt, da im Getöse für dich selber kaum gleich erfassbar.

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Ich höre gut, weil ich leise sein musste. - Das war der zentrale Gedanke.

Ich bin heute noch leise - jedenfalls bin ich im Leisen viel mehr ich, als dass ich es in all dem Lärm bin, den ich von mir gebe.


Jona Jakob
Zürich Bern Frankfurt

Samstag, 6. August 2016

Desperated - oder: Eine Woche für 'nen Arsch

Eigentlich hätte ich gerne den Druck einer Diät ausgehalten. Jetzt schon eine Woche lang. Aber am Dienstag erkrankt der Hund massiv an seinem Anus. Das wirft mich um drei Tage aus dem Programm. Ich ringe um Schlaf. Ich ringe darum, dass der Hund sich nicht leckt. Es regnet in den Tagen, in denen ich den Hund tragen muss. Eine Geldsache gerät ins Stocken, nicht wirklich, aber für diese Woche doch. Einfach ein verspätetes Zielabhaken. Obwohl 'Daniel' da sein sollte, ist der Himmel grau. Es ist unterdessen Freitag, ich war vier Mal beim Tierarzt, der glücklich ist, dass die Wunde noch nicht verheilte, damit sie noch 'ausnässt'. Ich wäre dankbar, das Nässen würde aufhören.

Bild / Selfie (c): Jona Jakob, privat.

Damit ich mit dem Hund nicht alleine im Auto bin, fahre ich mit Elke, was aber bedeutet: Aufstehen um 05 Uhr 30 und Heimkommen nicht vor 18:00 Uhr. Es ist unterdessen Freitag, ich könnte auf Samstag schlafen. Das gesunde bunte und vitaminreiche Essen schlägt an, ich liege hellwach. Die Nachbarn oben feiern etwas. Im Fernsehen bleibt nur die Olympiaeröffnung. Der Rücken schmerzt. Es ist Samstag, eine Art empfundener Schutzraum an Zeit, wo ich mich aufpäppeln könnte. Da geht das Internet nicht. Ich fange an zu verzweifeln. Ich wollte nur eine Diät aushalten, aber irgendwie bricht darüber der Rest an Weltschmerz ein. Es ist mir gefühlt 'nix' gemacht, noch viel zu tun, es funzt aber nicht und ich meine, von tosenden Wellen der Anforderungen überschlagen zu werden. Es ist ein toter Hochsommersamstag bei graukühlem Wetter. Wie geht das im Erlkönig? Der Hund, er lebt, sein Herr ist tot. - Ok, vor mir starb vermutlich Unitymedia. Verzeiht, wenn ich gedanklich zu Alkohol tendiere und es ist 09 Uhr 30. Es war noch nie hart, eine Diät auszuhalten. Was hart ist, sind die vielen Mächte, die alle Aufmerksamkeit an sich reissen, sobald man wegen Energieentzuges dünne Haut kriegt. Jedenfalls schwebt das durch meine subjektiven Projektionen. Mir fällt der naseweise Spruch vom Regen ein, und dass wenn ich schlechte Laune hätte, es dennoch regne. Ich versuche es ja, ... aber fürs Glück nun Elke und Hund mit lautem Heavy Metal zu beängstigen, fände ich auch nicht fair. :-)

Mittwoch, 27. Juli 2016

Gefühlscumuli

Noch scheint der Tag zu schlafen. Es ist Sommer, der Morgenhimmel grau, es wären Temperaturen, bei denen ich endlich schlafen könnte. Da muss ich auf. Kaum in den Korridor getappt, springt mich Phibi an, unsere 5-Kg-Hündin, weil sie sich über die morgentliche Begrüssung freut, wie ich auch. Doch mein Stress ist eher physischer Natur, ich muss dringend austreten und habe für zu lange Hundebegrüssungen keine Ruhe. Morgens bin ich irgendwie der Zeremonienmeister. Ich bade. Nach 20 min bin ich raus ausm Bad, da begrüsse ich meine Liebste. Sie braucht dringend ihre 30 min um wach zu werden, sonst ist das Gehirn noch matschig, wie sie sagt. Obwohl ich sie gerne umarmen würde, meint der Hund, er müsse sich dazwischendrängen. Ich fühle, wie das Biest mir Begrüssungsenergien abzieht und deswegen die Liebste dabei zu kurz kommt, jedenfalls hat sie nicht die ganze Zuwendung erhalten, einen Teil raubte der Hund. Dann rauben erste Medieninhalte unsere Aufmerksamkeit.

Bild von Sabine Antonius, Deutschland / (c) bei Jona Jakob

Der Hund schreit, als würde er abgestochen. Wir wissen nicht, was los ist, da kommt sie schon angeschmust. Irgendwas war, meine Liebste macht sich schon mal Sorgen. Dabei kämpft sie selber seit gestern mit einem entzündeten Auge, welches über Nacht echt nach Gewalt im Haushalt aussieht, so angeschwollen ist es. Da meine Beste hart im Nehmen ist, flachst sie darüber nur rum, aber nun mache ich mir Sorgen. Unterdessen steht der Hund im Korridor mit Hängeohren und Depri-Gesicht. Sie kriegt von mir liebevoll Frühstück. Sie frisst es nicht, weil sie schon Stress schiebt, ich könnte bereits gehen, was ich morgens meist mache: ich gehe früher und Phibi mit Schätzchen fahren etwas später nach. Nein, Phibi, alles gut, du kannst fressen, ich möchte dazu aber nicht mit dir in der Küche rumstehen. Ich fülle das Hundefutter in die Dose zurück, ein Rest bleibt im Schälchen. Phibi druckst rum und frisst anstelle des Futters meine Nerven. Da sie den Rest nun doch anfängt zu fressen, räume ich solidarisch die Spülmaschine aus. Ein Griff an das Backblech, das ich für trocken halte, aber da läuft mir schon ein gefühltes Glas Wasser über die nackten Beine. Aus irgend einer Rinne im Blech tropft Spülwasser, der Küchenboden ist nass und ich mitten drin mit meinen Frottee-Pantoffeln ausm Wellnesshotel. Neeeeiiiiiiin ... uäääääkkkk.... Der Hund flieht, weil Spritzwasser sie trifft und ich eben uäääkkkkk rufe. Meine Liebste tut mir leid, weil das Auge so geschwollen ist. Und ihr tut der Hund leid, weil die im Bett unerklärlich quikte. Innerlich möchte ich längst im Wagen sitzen, und Arbeiten ableisten, doch dann kommt das allmorgendliche Ritual der Dispositionsfragen: Haste? Biste? Wollmer? Wie denn? Ach so! Tust du? Gehe ich? ... meine Liebste sagt: "Mann, sieht das Auge übel aus." Der Hund hat sich ins Bett verkrochen und tut so, als müsste niemand los. Eigentlich haben wir uns hier schon alle leicht verrückt gemacht, obwohl der Tag noch keinen Anfang nahm. Vermutlich sind wir alle erleichtert, wenn wir arbeiten können. Da tippelt Phibi übers Laminat, das für mich typisch erkennbare "kantappakantappa" ihrer Krallen, die sagen: "Ich muss raus!" - Ja, aber ich sitze hier noch halb nackig und schreibe davon, wie wir uns hier vor lauter Aufmerksamkeit und Mitgefühl unsere Empfindsamkeit aufschaukeln - und das musste einfach mal beschrieben werden. Wir sind nicht wirklich eine 'Bande' - wir sind ein 'so hachsensibler Zopf' aus einzelnen Strängen. Und gefühlt ne kleine Gewitterwolke.

"Phiiiiieps!" - Der Hund phiept. Sie heisst ja auch Phibi.

:-)

Mittwoch, 27. Januar 2016

Ihr kennt das ... man dreht ein Fernglas um und sieht dann erst die Ferne.

Hinweis: Dieser Beitrag nimmt im Mai/Juni 2016 an einer Blog-Parade unter diesem Link teil, wo auch andere Beiträge verlinken, WIE sie zum Schreiben gekommen sind. Mein Beitrag wurde nicht extra dafür geschrieben, aber zufällig vor drei Monaten. Er passt authentisch und uneditiert zum Thema. Lesen Sie bei Eva Laspas rein: http://www.evalaspas.at/blogparade-mein-schreib-weg/ 

Ich schrieb mit acht Jahren meinen ersten Liebesbrief. Es war nur ein Zettel und drauf stand "Willst du mit mir gehen?" Das war es schon. Aber was den Wisch ausmachte, war seine Übersendung. Da wir im Schullager Mittagsruhe in einem speziellen Schlafsaal halten mussten, gab es dort Doppelstockbetten bzw. -liegen. Und oben lag Helena Slavik. Als sie sich nach den 45 min am obigen Bettrand aufsetzte, hatte sie schon ihre Hausschuhe an, eine Art Pantoffeln, welche an den runterhängenden Füssen so klafften, dass ich meinen Zettel mit leichten Fingern ihr unter die Sohle schieben konnte. Weil das kitzelte, so mein Kalkül, schnappte der Pantoffel wie eine Falle zu, meine Geheimnachricht war eingeschlossen und die Botschaft wurde hochgezogen und flach auf der Matratze liegend versteckt gelesen. Meine erste SMS sozusagen.


Ich mag dieses Bild, welches mich so zeigt, dass das Gesicht meines Vaters durchschimmert.
Bild (c) : Jona Jakob, Selfie, privat 


Danach schrieb ich immer wieder Briefe. An Gott und die Welt. An Mädchen und Frauen. An Lehrer und Nachbarn. An irgendwen. Ich bekam meist erstaunte Antwort bis mich später die Philosophie reizte und kaum noch jemand mich verstand, ausser vielleicht mein Vater. Bis dahin hatte ich vier Bundesordner voll.

Zu meiner Volljährigkeit erschien meine erste Publikation, ein 8-Seiten-Heft A5, von dem es exakt 2 Stück gibt (1 Exemplar besitze ich noch). Auf das andere hin schrieb mir mein Vater einen langen Brief, in dem auch seine berühmten Zeilen bezüglich einem 'verzauberten Herzen' stehen - wenn Sie die nicht kennen, fragen Sie mich. Sein Brief ist heute noch eine Wucht.

Meine Liebschaften liebten es, wenn es von mir Post gab. Sie liebten meine Briefe, meine verlorenen Sätze an Spiegeln, Tafeln und Kacheln, meine subtextlichen Anspielungen, die einem zärtlichen Streicheln nur für die Eine, aktuelle, gleichkamen und die gerne in Handtaschen aller Art eine Bleibe fanden.

Dann kam das Internet.

Ich war unterdessen ca. 35 oder 40, als ich immer komplizierter schrieb. Meine Gedanken und Abhandlungen überforderten mein Umfeld, ich nervte oder erhielt keine Aufmerksamkeit. Das ärgerte und kränkte mich und ich bezichtigte mein Umfeld des Banausentums und der Faulheit, sich mit den Dingen vertieft auseinanderzusetzen. Ich scheiterte. Ich scheiterte an meinem übermässigen Bemühen, angenommen zu werden, verstanden und geliebt und erfuhr das Gegenteil, Unverständnis, Ablehnung, bis hin, ich sei ein Spinner und mit mir wolle man nichts zu tun haben. Es war die Zeit, als ich erste Texte ins Internet schrieb, anfänglich noch auf eine Website.

Als ich meine Geschäfte in Zürich verlor, das Haus und meine Frau, schrieb ich wie in Blöder. Ich erstellte mir schreibend ein Parship-Profil und angelte mir nach der ehelichen Trennung viel spontane Intimität. Ich war da 124 Kg schwer und depressiv, vom Typ Rolf Lassgard, der den Wallander spielte.

Da geschah meinem Schreiben eine kleine Wendung, die ich erst drei Jahre später bemerken sollte. Parship zeigte mir ja auch, wer mir wie zurückschrieb und das waren deutsche Mädels und nicht die Schweizerinnen. Die notieren drei Zeilen in Kleinschrift und Schweizer Dialekt "Hoi, bisch no en Luschtige. Mir chönnte mal en Kafi ha." - Das wars aus der Schweiz. Aber aus Deutschland kam Post. Richtige Post. Eine Antwort umfasste gerne ein bis zwei A4-Seiten und schrieb ich wieder zurück war gleich wieder was zu Lesen da. Da war Austausch. Ich war weiter in fremden Betten unterwegs, ob in Stuttgart, im Taunus, in Strasburg oder Hamburg. Fett, müde, schwerfällig und irgendwie suizidal ... aber intelligent genug, mit Sprache zu verzaubern und hierfür Hof zu erhalten, als wäre ich ein Narr und Sänger in alten Zeiten.

Als Parship zu anstrengend wurde und ich wieder alleine in Zürich sass, begann ich in XING. Wow, da gab es schreibende Gruppen für Philosophie, Schreiben, Menschsein, etc. etc. In 10 Jahren XING muss ich an die 100'000 Beiträge gepostet haben. Bei gezählten 30'000 gab ich auf. Ob ich mir bei den Philos Freund und Feind einhandelte, ob ich bei den Schreibenden mehr Prügel für meine Sprache und Scheibe erhielt, als je von meinem Vater, ob ich in Gruppe zu Betroffenheitsthemen mit meinen Sprachbildern und Formulierungen Furore machte - egal. Ich war alles, nur kein Trockenschwimmer mehr. Ich hatte Publikum, Leserschaft, Zugeneigte und richtige Streitpartner. Meine Schreibe kam an.
Und auch in den letzten 10 Jahren der Leserschaft habe ich mich nochmals drastisch verändert. Ich schreibe wieder anders, durchschrieb eine bis zwei Metamorphosen, Krisen, Enttäuschungen und Wiedergeburten. Mein Wesen kehrte sich in all dem aus. Mein Geist, meine Seele, mein Weltbild. Es veränderte sich mein Wortschatz, meine Rechtschreibung, mein  Blick für andere Texte und Schreibweisen. Was sich wirklich änderte ist, dass heute immer wieder jemand fragt: "Wann schreibst du ein Buch?" Und der aktuelle Höhepunkt einer darauf hin bezogenen Antwort gab gleich jemand aus der Leserschaft. Sie sagte laut heraus: "Von dir stehen schon so viele Bücher im Internet." - Das war vielleicht die schönste Bestätigung, weil ich mich da gelesen fühlte.

Ich war also noch nicht einmal 50, als mich wegen meiner Schreibe eine Frau anging, die ich im Leben nur drei Tage erleben durfte. Sie gab mir in der kurzen Zeit zurück, was mir in den fast 25 Jahren zuvor wegen Entfremdung verloren gegangen ist. Dann erfuhr ich von meinen Anteilen an Begabung und Sensibilität und ich zog mehr und mehr nach Deutschland, nach Frankfurt um es genau zu sagen, wo ich heute lebe, weil man mich hier versteht.

Heute schreibe ich aktuell in 8 veröffentlichten Blogs und werde eingeladen, an prominenter Stelle Texte beizutragen. Und immer wieder erkenne ich drei Dinge, die mir erwachsen sind:
- ich kann Dinge sehend erkennen und diese dann in Sprache betten, als würde ich zeichnen
- ich kann in dieser Sprache Gefühle, Bilder und Verstehensweisen bilden und
- Sprache wie Intellekt sind ohne jede Professur aus mir gewachsen, was heute MEINES ist, auch wenn ich es nur 'Meine Schreibe' nenne.

Letzte Nacht, als Sie mir schrieben, entwickelte mein Kopf einen 'Titel' im Bereich meines Arbeitens, ein Titel, der Produkte bezeichnet, die es noch gar nicht gibt. Ob darunter Bücher, Kurse, Seminarien oder sonst Haptisches entsteht, ist schier egal, aber im Fachbereich, in der Kunst mit Menschen, habe ich mein Dach in Worten erschrieben, auf dass ich darunter trocken und kaum beraubt bleiben und arbeiten kann.

Und in dieser Freiheit die Arbeit zu tun, die ich bis in meinen Tod tun will, erschrieb ich mir neu gewonnenen Boden und Raum, auch mal wieder etwas zu schreiben, das einfach so daher kommt. Kann gut sein, dass nächstens 'Limbach' über was stolpert. Was mir dabei aber noch wichtig ist und was nach dieser Notiz spürbar sein müsste: Ich schrieb. Ich schrieb an wen. Aber ich schrieb immer weniger für wen und schrieb dafür immer mehr für mich. Ich bin bester Dinge in dem Gefühl, zu wissen und zu spüren, was mir das Schreiben gut tut. Und in dieser Selbstzugewandtheit ist vielleicht jenes, was andere für sich selber auch gut finden können, ohne jede Botchaft von mir, auf dass sie ihr Ding tun.

Ehrlich gesagt, ich weiss es nicht. Für Sie jedenfalls nicht. Für mich schon. Ich muss das auch nur für mich wissen. So auch dieser Text, den ich für mich schrieb und der vermutlich nun in den Blog wandert.

Ob und was Sie mit sich nun tun, werden Sie mich vermutlich wann wissen lassen. Das macht es mir dann auch möglich, mich darüber zu freuen, egal, ob Sie von einer Krise oder vom Erfolg erzählen, vom Ruhenlassen oder von wildem Tatendrang. Das ist dann Ihre Geschichte. Vergessen Sie daher das Publikum - sehen Sie sich, maximal noch Ihr Werk - basta.

Jona Jakob - 2016