Mittwoch, 27. Januar 2021

Mittag im Urlaub

Es war ein Dienstag, als er sich an diesen Tisch setzte. Er träumte von Momenten seiner Kindheit, als man im Urlaub nachmittags den Strand verließ, seinen Kram vom Sand befreite, sich Badetücher und Taschen, Campingstühle oder Liegen irgendwie über die Schulter hängte, die Strandschlappen an den Füssen und einen Hut auf dem Kopf. So ging man zurück. Zuerst durch Gräser und kleine Dünen, später unter dem Kiefernwald, hinein in diese meist eingegrenzten Terrains für kleinste Ferienhäuser, flache Bauten, die etwas Garten darum hatten, Platz für ein bis zwei Autos, für Sportsachen, Spielzeug und besonders um draußen im Schatten der Baumkronen sitzen zu können, Grill, Schaukel, Sonnenliegen. 



Es gab des nachmittags Mittagessen, jemand war im Haus geblieben und kochte, und es roch nach Meer, nach Knoblauch in heißem Olivenöl, Zitrone, Rosmarin und nach Meerfrüchten, Fisch oder gegrilltem Fleisch. Kindlicher Hunger hielt ihn auf Trab, er konnte kaum warten, bis alle am Tisch saßen und das mediterrane Vergnügen auf die Teller geschöpft wurde. Er war glücklich, nahm alles auf, was ihm seine wachen Sinne boten. seine Haut roch nach Sonnencrème. Danach schlief man bisweilen eine Stunde, dann wurde öliger, schwarzer Café mit etwas Zucker herumgereicht. Die Erwachsenen tranken zur Verdauung kleine, eisige Schnäpse.


Jona Jakob, 2021

Montag, 18. Januar 2021

Wenn man den Tod seiner Frau erbt

Drei Monate danach. Ich wache gegen 05:00 Uhr auf, mein Brustkasten dünstet miefig durchs Shirt, obwohl ich gepflegt bin. Ich zittere. Dann hört die Scheiße bis 09:00 Uhr nicht auf, wo ich verheult im geerbten Unternehmen aufschlage und mit irgend einer Arbeit beginne. Zu Hause versuchte ich mich über Stunden zu retten, machte Haushalt, Wäsche, Küche, Blumen, Betten. Aber nichts half, die Panik hatte mich für Stunden fest im Griff, obwohl kein Anlass den Anstoß dafür gegeben hatte. Noch zuvor erlebte ich drei Tage Wochenende in entspannter Zeit, kein Zweifeln, gute Gefühle, Zerstreuung und liebevolles Aufgehobensein. Alles gut. Dann BÄMM, voll die Attacke. Ich wusste in dem Zustand nicht mehr, wen vertraut um Hilfe anzurufen. Ich hatte mehr als fünf Menschen im Sinn, doch ich rief nicht an. Vielmehr schlitterte ich weiter über diesen bodenlosen Abgrund.


 
Bild JJ: Tor am Main, Aschaffenburg

Auch der Versuch, mich nochmals ins Bett zu legen scheiterte an der inneren Getriebenheit. Um acht Uhr zog ich mich an und machte mich mit Phibi auf den Weg ins Unternehmen. Ich hatte Bio- und Restabfall, den gelben Sack, eine Bürotasche und Phibi am Arm. Ich heulte noch im Schloßpark und bis rein ins Parkhaus, wo der Dicke wartete. Eigentlich sollte man so nicht autofahren. Ich versuchte, jemanden telefonisch zu erreichen. War nicht möglich. Und was dann half, das waren Worte, die zwar nicht anders zu lesen waren, wie all die tröstenden Gedanken, welche ich zuhauf erhalte, doch in einem Punkt unterschieden sich diese und wurden für mich wirksam - ich füge sie hier in demütigem DANK ein:

Zitat: Ich kenne diese Gefühle der Panik und kann es schmerzlich nachvollziehen, aber da musst du leider durch und es wie eine Welle wahrnehmen und dran denken das auch die höchste Welle am Strand ankommt und abebbt. Es werden wieder gute Gefühle kommen. - Ende Zitat.

Es sind Worte von jemandem, dem der Ehepartner verstarb und ein Unternehmen hinterließ, welches mit Kindern, Haushalt und Angestellten etc. zu halten war. Die Quelle hatte für mich Ge'Halt, wirkte erfahren, eins-zu-eins.

Es ist nun 16:27, ich hatte einen durchaus erfolgreichen Tag, auf dem Heimweg ein wichtiges und positives Telefonat, vor dem ich mich früh noch scheute. Ich bin wieder zu Hause und safe. Was mir aber von dem Schreck bleibt ist, dass er trotz aller guten Momente und wiedergewonnener Kräfte oder Heilung mir einfach reinschneit, als hätte mir jemand einen nassen Lappen in den Nacken geschlagen. Das war heute nicht nur scheiße, das war gefährlich und ich will das nicht.

Jona Jakob