Samstag, 7. März 2015

Zum ganzen Selbst

So lange man als Mensch keine innere Ruhe hat, etwas nicht zu wissen, nicht zu kennen, etwas nicht ergründet und erkundet zu haben, etwas nicht erstanden oder gesehen bzw. erlebt zu haben, so lange ist ein Mensch kein Lernender, wie behände schönlippig behauptet, sondern ein Von-Angst-Getriebener, ein Kümmerling.

Er oder sie lernt dann nicht, weil er sich er'gänzen würde, sondern aus Furcht, ohne nicht bestehen zu können und bleibt endlos Gefangener seiner Unzulänglichkeit.

Und so lernt er auch nicht, um stark, gross oder weise da zu sein, sondern um sich fremdverantwortende Vorteile zu verschaffen, Selbstoptmierungen, aus der Unsicherheit, in irgend einen Wettbewerb nicht genügen bzw. bestehen zu können.

Er lernt also als sklavisch Getriebener und wird eher weniger - weniger Mensch, als er es vielleicht wäre, könnte er so bleiben, dass er sich nicht kümmert.

Bild mit Jotter: (c) skizziert von Jona Jakob


Und es gibt tatsächlich immer mehr Religionen, Bibliotheken, Netzwerklehren und Weltphilosophien, die einem allein wegen ihrer umfassenden Dimension den Glauben gewinnen lassen, es sei nun möglich, alles zu erfassen, auf das es kontrolliert und gesteuert werden könne. Es ist eine Form von All-Wahn, dem höfisch erlegen wird, unreflektiert und von nichts mehr gestützt, als vom eigenen Nichts, was man ist.

Denn es ist gerade jene finite Vorstellung, eine Allmacht und ein Allwissen würde alles und jedes dingfest- und steuerbar machen, die zu nichts weiterem führen würde, als zu etwas Erreichtem, welches einem gebrauchten Präservativ ähnlich schiene.

Ich meine, wenn es einen Gedanken an einen vollkommenen Menschen gäbe, dann den, der einen grossen Raum von Nichtwissen, Nichtkönnen, Nichtberühren, Nichtsuchen, Nichtorten und ganz besonders Nichtverstehen so für sich gelten lassen könnte, einer souveränen Annahme, Liebe und Endlosigkeit gleich, dass er genau damit glücklich, ruhend und besonnen mit sich selbst verbleiben würde. Das würde ihn ganz machen.

Text von Jona Jakob, März 2015 - Copyright Jona Jakob ©