Montag, 29. Oktober 2018

Dinge vom Vater, Züge von mir ...

Glück aus etwas Vintage - da liegen die 70er-Jahre.

Die signierten Lithographien, es sind original drei, von Urs Dickerhof (Biel), begleiteten mich nun bald 50 Jahre durch mein Leben. Das Regal, Gelegenheitsstück (Zollikofen) meines Vaters, steht seit 40 Jahren irgendwo, wo ich auch lebte. Mit acht Jahren fing ich an, Platten zu kaufen, die erste war 'Slade Alive' und ich habe sie noch. Den DUAL-Plattenspieler mit Verstärker und die beiden HECO-Lautsprecher kaufte ich vor einigen Jahren in Mörfelden aufm Trödelmarkt für 100 Euro.

Bilde: (c) Jona Jakob, privat

Erst seit einigen Tagen liegt wieder alles bei sich. Erst seit einer Lebensunterbrechung von schier 15 Jahren steht "mein Ensemble" an Erinnerungen an besonders meinen Vater wieder. Ich höre Donovan, Cohen, Lagren, Mayall, ELP, Earth Wind & Fire, ... ich höre besonders gerne jene alten Musikwerke, die damals "jeder" hatte und hörte. Man musste ja hören, was die Eltern hörten oder was die wenigen Musikbänder in Autos hergaben. Man war nur all zu oft in einer Art 'Kollektiv' einer Herausgabe, weil wir alle nur Platte hören konnten - alle. Also kannten alle die gängigen Alben der Roling Stones, Led Zeppelin, Deep Purple, Nazareth, Status Quo, Uriah Heep, ELP, etc.

In schier allem, dem Bart, dem Rollkragenpulli, den Raucherwaren, den Autos und dem verrückten Lebensstil lag eine politische Aussage. Man war so und so und so - Sex als Nacktheit und Kommune war wichtig. Und Terrorismus. Und schnelles Denken gegen alles, was sich etabliert hatte. Man war Augstein und Nannen. So hörte ich Matter, Donovan, Chi Coltrane, Beatles, Rolling Stones, Jesus Christ Superstar, Hildegard Knef, Jarrett, Simon & Garfunkel, Jazz, Baez, Ian Dury, Cocker, Dylan, Lou Reed. Mutter las Fallaci. Vater las Musil. Als ich ihnen Houellebecq vorstellte, wollten sie mich erschlagen. Alle beide, einzeln. Noch immer war alles irgendwie politisch, jede nackte Brust, jede Marlboro, jeder 2CV, jedes Glas Pastis. Mein Aufwachsen war eine sublime Form stets spüren zu lassen: So nicht.

Es liegen dort die Bildbände meines Vaters zur Antarktis. Und nächstens kommen Tatort Bern, Ich, Urs Dickerhof unsoweiter, Von Hodler bis zur Antiform, Tagebuch des WT, und andere Kunstbücher hin. Und eine Gallone Gordons.

Auch so rauche ich selten etwas Zigarre dazu, auf dem Balkon sitzend, wenn Gary Numan, Simply Red, Peter Tosh, Parliament, Falco oder Lucio Dalla den Sonnenmoment begleiten.

Bild: (c) Jona Jakob, privat

Ich glaube, meinem Vater war das Liegende näher, als das Stehende. Es war schon schwer genug, an ihn heran zu kommen. Er legte Dinge. Leise und sanft. Sie lagen dann da. Und mir, als Bub, waren sie heilig. Seine Schreibwaren, immer ein Messer, Pfeifen, Zirkel, Lineal, Lesebrille, manchmal Karten. Vielleicht, weil er im Stehenden das Anhäufen verkannte, Haben als Verlust von Freiheit - und alles Horizontale, Offene, Breite und Weite als Form und Ausdruck von Freiheit. Er mochte Dinge, die man sofort aus dem Leben räumen konnte. Heute liegt ein nicht kleiner Teil davon in mir.

Es sieht immer noch modern aus. Das Regal wird mich überleben.

(r) Jona Jakob, 2018

Es gibt einen eigenen Blog für meinen Vater: https://klausjakob.blogspot.com