Dienstag, 27. November 2018

Gefundener Text aus einem Gast-Blog vom August 2011, Thema: Limbachs Krankenbesuch

Limbach stieg leise die Treppen in den dritten Stock hoch. Er hatte sich angewöhnt, wieder Treppen zu steigen. Die drei Stockwerke schaffte er schon ganz gut. Die Tür stand offen. Ein getrockneter Kranz ehemals blauer Hortensien schmückte die Wohnungstüre. Es roch nach Frauengarderobe und nach Tee.

Nein, Limbach konnte nicht zeichnen und er wollte auch nicht. Zeichnen war nun wem anderes Stärke. Wozu sollte er betreten, was wem sonst eigens war, was sollte er es berühren oder sonst wie nachäffe?  Er war zum ersten Mal hier. Er nahm Notiz von Bildern, Garderobe, Türen zu anderen Räumen, etwas Kunst, Moderne, Schals und Schuhe, Taschen. Er entschied sich, seine Schuhe nicht gleich schon auszuziehen, als wäre er hier vertraut zu Hause, vielmehr verblieb er, für sich entschieden, Gast. Diese Rolle war schon anspruchsvoll genug.

Mit dem rechten Handrücken stieß er die Türe zum Wohnzimmer weiter auf, dort wo Licht und etwas Musik herkam. Es lief ein Klavierkonzert und da er in Klassik nicht bewandert war, hörte er einfach nur hin, seinen Blick durch den sich öffnenden Raum schweifend, vielmehr hinsehend, dem Weiten einer Linse gleich, die sich einen Gesamtblick verschafft, um damit das Ganze zu fassen. Er lächelte. So kann man wohnen. Vielleicht würde kein Mann mehr hineinpassen, in dieses tunlichst gewählte Arrangement von feinen Dingen und Erkorenem, aber doch, so kann man wohnen. Limbach mochte die Bilder nicht. Umso mehr staunte er dann aber über die hohen angelsächsischen Sofas, die sich streng gegenüber standen. Eine solche Wahl hatte er nicht erwartet. Ihn beschlich der Gedanke, sie könnten aus der ehemaligen Ehe sein, da sie sonst niemand wollte, aber der Nippes dazu passte. Zwei strenge Sofas eignen sich für Hund und Frauchen oder für Staatsverträge, Gespräche von hohem Niveau. Sie stimmten ihn jedenfalls heiter.

Sie war krank. Sommergrippe. Irgendwo her und nicht wirklich nachvollziehbar, wie sowas kommen kann. Er schwor sich, weder die Hand zu geben noch zu viele Türgriffe anzufassen. Lieber einmal mehr die Hände waschen und bloss nicht ins Gesicht damit. Lieblos, aber mit einer Sommergrippe wollte er im Moment nichts zu tun haben. Sie lächelte und grüsste heiser…

Limbach entschied, bevor er einen Ton sagte, an die Musikanlage zu treten und die Lautstärke des Klavierkonzert etwas einzuschränken. Als man sich wirklich hören konnte, sagte er: „Hallo … nein, lass das mal mit dem Händegeben, ich bin da“.

Jona Jakob, August 2011